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Ein
überdurchschnittlich warmer Frühlingstag
zog auf. Schon beim Frühstück auf der
Terrasse konnten wir dem Wohlgefühl des Schwanes
zuschauen, der sein Federkleid in der Morgensonne
wusch und pflegte. Wechselweise legte er sich strampelnd
links und rechts seitwärts, damit seine Flügelfedern
voll im Wasser schwenkten. Dann strich er sie wieder
glatt, fettete sie mit seinem Schnabel ein und entfernte
den Winterflaum. Die dabei vollführten Kopf-
und Halsverrenkungen setzten uns laufend neu ins
Staunen. Den Morgen durchflutete Aufbruchstimmung,
die auch uns erfasste. Gegen Mittag setzten wir
unsere Velos an Land und fuhren am rechten Ufer
Seine-aufwärts nach Giverny. Ein gut gepflegter
Veloweg abseits der Hauptstrasse führte uns
direkt zum Dorfeingang. Eigentlich ist Giverny ein
sehr lang gezogenes Strassendorf, das wahrscheinlich
- wie so viele Überlanddörfer in Frankreich
- kaum mehr als den Einwohnern und den Behörden
bekannt wäre, hätte da nicht zwischen
1883 und 1926 der Meister der impressionistischen
Malkunst ziemlich genau die Hälfte seines Lebens
verbracht.
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Bereits der Glace-Stand am Dorfeingang
kündete von der touristischen Anziehungskraft
dieses Ortes, der heute glücklicherweise durch
eine Umfahrungsstrasse vom Durchgangsverkehr entlastet
ist. Von Vernon her ins Dorf Giverny einfahrend,
fallen zuerst einmal die vielen Bed & Breakfeast
Schilder an den Häusern auf. Ab und zu ein
kleines Hotel. Es dominieren durchwegs die dörfischen
Hausfassaden mit zur Strassenseite eingemauerten
Gärten. Vorbei an der Dorfkirche und der einzigen
Kreuzung mit einer den Hang hinauf verlaufenden
Querstrasse fällt als erstes ein grösseres
kubisch gestuftes Gebäude auf, vor welchem
bereits viele Gäste im Gartenrestaurant an
der Sonne sitzen. Es ist das erst fünfjährige
"Musée des impressionismes", dem
wir uns erst auf dem Rückweg widmeten, wollten
wir doch erst einmal das Wohnhaus und den Garten
vom grossen Meister Monet zu Gesicht bekommen.
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Schon
fast beim jensitigen Dorfausgang kündeten Strassenmaler,
Gartenrestaurants und Parkplätze den Mittelpunkt
dieser touristischen Anziehungskraft an: Eine langgezogene
rosarote Hausfassade mit einem Hinweisschild zum
Entrée führte uns direkt zur Kasse und
durch den grossflächigen Souvenir-Shop, der
vor lauter begehrenswerten Kleinigkeiten beinahe
den Ausgang zum Garten unentdeckt gelassen hätte,
hätte da nicht ein Zustrom von Menschen verraten,
dass es noch etwas mehr zu sehen gäbe. Richtig
- der Ausgang gab den Blick frei in einen reichhaltigen
Blumengarten, der mit Gartenwegen und Spaliertoren
rechtwinklig strukturiert war und im kleinen an
Versailles und Lenotre erinnerte. Aber statt Buchshecken
und Marmorstatuen prangten hier bunt gemischte Blumen
in den Beeten und erinnerten daran, dass der Meister
selber sie in dieser Mischung angepflanzt hatte,
damit sie zu jeder Jahreszeit einer farbigen Malerpalette
entsprachen. Sie waren damals wie heute ein Augengenuss
und eine Inspiration, die vielen Farben und Formen
in ihrem Licht und ihrer Ausstrahlung aufzunehmen
und sie mit vibrierenden Pinselstrichen auf die
Leinwand zu setzen.
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Das Anwesen Monets, wo ihn viele
seiner malenden Zeitgenossen aufsuchten und sich
vom Malen in der freien Natur inspirieren liessen,
wurde damit - abseits von den tonangebenden Pariser
Malateliers - zum Mekka des impressionistischen
Malens, wo sich der Malstil aller verweilenden Gäste
gegensitig beeinflusste und an Gestaltungsmöglichkeiten
reicher wurde.
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Interessant ist die Parallele zum
Leben des holländischen Malers Vincent van
Gogh, der zur Zeit seines Aufenthaltes in Arles
im Jahre 1888 erhoffte, ebenso eine Begegnungsstätte
von zeitgenössischen Malern ins Leben zu rufen.
Goghs vorgängiger Aufenthalt in Paris ab 1886
hatte ihn via seinen Bruder und Pariser Galeristen
Theo van Gogh mit den Werken von Claude Monet bekannt
gemacht. Mit Monet teilte er seine Faszination für
japanische Drucke, welche bei beiden einen stilprägenden
Eindruck hinterliessen.
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Mit einer Unterführung
unter der Hauptstrasse hindurch ist der zweite Garten
mit dem Teich, der Claude Monet zu seinen zahlreichen
Stimmungsbildern mit Seerosen anregte. Es war ein
herrliches Gefühl, nach der früheren Besichtigung
der wandfüllenden Seerosenbilder in der Orangerie
des Jardins des Tuileries nachgängig die natürliche
Gartenlandschaft zu erleben, die diesen Gemälden
Modell gestanden hat. Wie in der Orangerie liessen
wir uns auch bei diesem Anblick auf der Bank nieder
und liessen die optischen Eindrücke über
uns her fliessen.
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Foto
aus Claude Monets Garten
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Foto
von einem der Originalbilder Claude
Monets - Les Nymphéas
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Nach einem so intensiven und einnehmenden
Erlebnis glich der Durchgang durch den Souvenir-Shop
einem Spiessrutenlauf, denn jedes "Nein"
war wie ein schmerzender Stich in die freuddurchströmte
Seele. Wir kamen mit Papierservietten, Mausmatten,
Schreibkarten und Broschüren voll Abbildungen
von Monets Werken raus und retteten uns ins nahe
liegende Gartenrestaurant des Musée des impressionismes,
wo uns eine Zwischenverpflegung für neue Entdeckungen
stärkte.
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Noch
mehr Entdeckungen gab es zu sehen in der noch bis
29. Juni 2014 geöffneten Sonderausstellung
"L'Impressionisme et les Americains".
Darin wurden Werke führender amerikanischer
Impressionisten ausgestellt, die alle zu Zeiten
Monets einen Aufenthalt in Paris verbrachten, sich
von der neuen Malweise inspirieren liessen und zurück
in ihre Heimat dem neuen Stil mit amerikanischen
Vorlagen Ausdruck verliehen. Trotz den persönlichen
Unterschieden zwischen diesen Malern vermittelte
die Ausstellung insgesamt einen dichten Eindruck
ihres impressionistischen Schaffens, vor allem auch
dadurch, dass die Werke aus Sammlungen in aller
Welt für diese kurze Zeit so nah zueinander
gezeigt und betrachtet werden konnten.
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Zum Glück
gabs auch hier einen Katalog zur Sonderausstellung
mit grossformatigen Abbildungen der Kunstwerke,
die uns später wieder das herrliche Tageserlebnis
in Erinnerung rufen werden.
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