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Wallfahrt nach Lourdes

Zu Besuch bei Bernadettes Mutter, die auf Wallfahrt in Lourdes weilte.

 

 

Über dreissig Mal war Bernadettes Mutter bereits mit dem Pilgerverein nach Lourdes gefahren. In ihrem 90. Lebensjahr könnte es das letzte Mal sein. Darum wünschte sie sich innig, dass ihre Tochter Bernadette, die 1956 bei der ersten Wallfahrt als "blinder Passagier" bereits dabei war, noch einmal mit ihr nach Lourdes käme und sie ihr zeigen könnte, wovon sie über Jahre geschwärmt hatte.

Wir hatten unsere erste Schiffsreise in diesem Jahr so geplant, dass wir rechtzeitig in Roanne ankamen, um von dort aus mit einem Mietauto (Fiat Panda) die über 500 Kilometer in die französischen Pyrenäen nach Lourdes zurücklegen und Mutter dort - als Geburtstagsgeschenk - besuchen konnten.

Sie war überglücklich, als wir am 25.4.2015 gut in Lourdes ankamen und ein feines Zimmer in der Résidence "Jardins de Lourdes" bezogen hatten.

 

 

 

 

Voller Stolz stellte sie uns all ihren Mitpilgern vor und liess sich kurz darauf im Rollstuhl zur abendlichen Lichterprozession fahren.

 

 

 

 

Es war ein milder, beinahe sommerlicher Abend, so dass sich viele Menschen auf der Esplanade, dem grossen Platz vor der Basilika, versammelt hatten. An mehreren Ecken standen Marktstände bereit, wo Prozessionslaternen gegen einen kleinen Obolus erstanden werden konnten. Zahlreiche freiwillige Helfer waren fleissig bemüht, die Wartenden zu einer Prozessionsschlange zu formieren. Um 21 Uhr setzte sich der Zug feierlich in Bewegung und umrundete langsamen Schrittes das ganze Vorgelände, um schliesslich vor der Rosenkranz-Basilika den Abendsegen zu empfangen. Das ganze Gelände war mit Lautsprechern beschallt, so dass auch die Hintersten im Umzug jedes Wort und jedes Lied mithören bzw. mitsingen konnten.

 

 

 

 

Offenbar war es in früheren Jahren Brauch gewesen, den Prozessionsweg in Viererkolonne abzuschreiten. Davon war an der Spitze mit der Heiligenfigur und dem rund vierzigköpfigen Priester-Aufmarsch noch etwas zu spüren, aber die Menschenmenge danach bewegte sich völlig ungezwungen hinterher, bis auf eine Rollstuhlfahrerin, die sich unbedingt mit drei anderen Rollstühlen zu einer Viererkolonne aufreihen wollte und beim ganzen Umgang damit bemüht war, alle 4 Rollstühle in einem Glied auf gleicher Höhe zu halten. Leider hatte sie auch uns in ihre Ordnung miteinbezogen, so dass die besinnlichen Gedanken bis zum Platz für den Schluss-Segen ganz der Sorge um die ordentliche Ausrichtung weichen mussten. Aber was soll's. Am folgenden Abend war wieder ein Umgang, in anderer Konstellation.

 

 

Am nächsten Morgen war in der unterirdischen Pius X - Basilika der Internationale Gottesdienst angesagt.

 

 

 

 

Mutter trafen wir im Rollstuhl inmitten der Schweizer Pilgerdelegation bereits "einparkiert" und konnten uns darum auf zwei Plätze in den hinteren Rängen zurückziehen. Das war kein Nachteil, weil links und rechts des Kirchenschiffes Leinwände angebracht waren und der ganze Gottesdienst von zahlreichen Kamerapositionen aus via Regiepult in Bild und Ton übertragen wurde. Wir konnten so dem Priester bei der Gabenbereitung förmlich über die Schulter gucken. Es war der Bischof von Sankt Gallen, der diese Feier zelebrieren durfte. Damit die Tausenden von Besuchern dieses Gottesdienstes an der Kommunion teilnehmen konnten, kamen die 40 teilnehmenden Priester zum Zuge. Etwa die Hälfte postierte sich verteilt in der weiträumigen Basilika und verteilten die Hostie, während die andere Hälfte von Rollstuhl zu Rollstuhl das Brot des Lebens verabreichten.

 

 

 

 

Dem Wasser von der Grotte Massabiel unter der Basilika der "Unbefleckten Empfängnis" wird heilende Kraft zugeschrieben.

 

 

 

 

Zu diesem Behufe liess sich Mutter im Rollstuhl durch uns oder durch freiwillige Helfer täglich an der Brunnen-Anlage vorbei schieben und trank aus dem mitgebrachten silberglänzenden Becher, auf dem das Bild der heiligen Jungfrau prangte, einen guten Schluck Lourdes-Wasser. Das Wasser ist gratis und darf auch exportiert werden. Mutter hatte sich zu diesem Zweck für gutes Geld ein paar Beutel voll mit Glasfläschchen beschafft und füllte sie - mit unserer Assistenz - bis zum obersten Rand mit diesem heilkräftigen Wasser. Auf jedem Fläschchen prangte die heilige Madonna. Nach der Dichtigkeitskontrolle wurde die wertvolle Fracht sorgsam im Koffer verstaut. Angesichts der Anzahl abgefüllter Fläschchen dürfen sich viele auf ein Souvenir aus Lourdes freuen.

 

 

 

 

Das Tagesprogramm eines Pilgerers ist vom Morgen bis zur Nachtruhe voll strukturiert und man muss direkt auf einen Programmpunkt verzichten, wenn man sich zwischendurch in der von den Helfern der Schweizer Pilgerdelegation eingerichteten Cafeteria eine Auszeit zugestehen will. Es glückte uns zwei Mal, dort drei Plätze zu "ergattern" und uns mit anderen Pilgern an einen der grossen runden Tische zu setzen. Da Mutter dank ihrer Pilgerhäufigkeit bereits ein bekannter Gast im Hause war, ging es nie lange, bis jener oder diese am Tisch vorbeikam und ein paar Worte mit ihr wechselte. Sie war dann stolz, uns ihre Bekannten vorzustellen und uns zu erklären, wie und wo diese Bekanntschaft zustande gekommen war. Sie so fröhlich und in aufgeweckter Stimmung zu sehen, liess uns erkennen, warum Lourdes für sie zeitlebens eine derart grosse Anziehungskraft ausgeübt hatte. Es war schön, dass sie uns dies einmal vor Ort zeigen konnte.

 

 

 

 

Zwischendurch schlenderten wir auch mal ohne Mutter entlang dem Fluss "Gave de Pau" übers Wallfahrtsgelände und bewunderten im westlichen Zipfel des eingezäunten heiligen Bezirks eine neue Gartenanlage mit einem modernen Kreuzweg aus weissem Kalkstein.

 

 

 

 

In der modernen und mit Schiebewänden unterteilbaren Kirche St. Bernadette folgten wir einer Erklärung der einzelnen Stationen des Kreuzweges. Es war eine Veranstaltung mit einem jungen Priester und zwei Musikern, die auf Flöte und E-Orgel die Zwischengesänge unterstützten. Wahrscheinlich ist es der Jugend dieses Priesters zuzuschreiben, dass wir uns in seiner Wort- und Gedankenwahl sehr angesprochen fühlten. Jedenfalls hatten wir das Empfinden, dass er mit seinen Gedanken direkt und ohne zeremonielles Rankenwerk mit uns in Dialog trat, auch wenn wir uns selber während der Feier ja nicht äussern konnten.

 

 

Ganz im Gegensatz dazu erlebten wir eine Sakramentsprozession, die wegen dem unsicheren Wetter in der unterirdischen Pius X - Basilika stattfand. Sie war wiederum von allen Plätzen aus in Bild und Ton auf der von der Decke herabhängenden Leinwand gut mitzuverfolgen. Aber erst wer einmal die Prozession vom Altar in der Mitte der Basilika bis ans eine Ende, dann zurück und bis ans andere Ende und von dort aus wieder zurück zum Altar in der Mitte hörend und schauend abgesessen hat, kann die Grösse dieser knapp 200 Meter langen und zirka 25'000 Besucher fassende Basilika ermessen. Die Zeremonie war perfekt und bis zum letzten Schritt einstudiert. Es war ja auch nicht der erste Umgang. Aber angesichts der zu Beginn jedes Gottesdienstes angerufenen Anwesenheit Gottes ist das Gefühl, dass die Göttlichkeit dank dieser in schönstem Gold strahlenden Monstranz noch ein wenig näher als nur "unter uns" ist, für uns nicht ganz widerspruchsfrei. Die ganze Zeremonie wird jeweils von der Regie eine Woche lang im Internet zum Abruf zur Verfügung gehalten.

 

 

 

 

In einer Programmzwischenzeit gelang es uns, mit Mutter im Rollstuhl den heiligen Bezirk zu verlassen und in der unteren Stadt Lourdes den ganz auf die Pilger ausgerichteten Geschäften entlang zu schlendern. Dabei fiel uns auf, dass Lourdes in vielen Strassen nicht einen Velostreifen, sondern mit rötlichem Asphalt eine Rollstuhlfahrbahn markiert hat. Zeitweilig gibts Stadtrundfahrten für alle nicht mehr selbst gehenden Patienten in den für Lourdes typischen Rollwägelchen, eines hinter dem andern, wie ein langer Tatzelwurm. Wir waren zum Glück allein auf diesem Rollstreifen unterwegs und konnten so nach eigenem Belieben in ein Restaurant mit freien Plätzen abzweigen und uns mit einem Getränk stärken. Auch da ging es nicht lange und schon hatte Mutter wieder ein paar freiwillige Helfer aus dem Schweizer Team geangelt und in ein Gespräch verwickelt.

 

 

 

 

Mit der Krankensalbung erlebten wir im Schlussgottesdienst der Schweizer Pilgerdelegation am 28.4.2015 noch einen weiteren zeremoniellen Höhepunkt. In der wiederum von Bischof Markus Büchel geleiteten Messe wurden nach der Predigt, aber vor der Kommunion alle Kranken und alle übrigen, die das wünschten, mit Chrisamöl auf Stirn und Handfläche gesalbt. Angesichts der über tausend Teilnehmer erneut ein von den vielen freiwilligen Helfern bravourös gemeistertes logistisches Problem. Nach diesem Abschlussgottestienst endigte auch unser Besuch bei Mutter, denn nun waren ihre Sinne voll aufs Packen und Bereithalten für den morgendlichen Flug zurück in die Schweiz ausgerichtet. Wir begaben uns unserseits zurück ins Hotelzimmer und berieten unser Programm in der noch verbleibenden Woche bis zu unserer Rückreise nach Roanne am Samstag, 2.5.2015.

 

 

 

 

 

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 aktualisiert: 1.5.2015 / hg