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Begleitung von Menschen mit Demenz

22.7.2022

 

 

Unsere Freundin aus Groningen (NL), Diny Stam, hat im Jahr 2020 ein Buch geschrieben. Es handelt von der Erfahrung mit ihrer Mutter, die mit zunehmender Demenz leben musste. Es geht um den zunehmenden Betreuungsbedarf und die Suche nach einer neuen Wohnmöglichkeit mit entsprechender Betreuung 24 Stunden x 7 Tage. Auf dieser Suche ist sie auf die niederländische Stiftung "WarmThuis" gestossen, welche an zwei Standorten für Menschen mit Demenz nach dem Leitbild "Warme Zorg" geeignete Plätze anbietet. Aus ihrer eigenen Berufserfahrung mit der Begleitung und Unterstützung von geistig nicht voll leistungsfähigen Jugendlichen hatte sie ein gutes Sensorium ausgebildet, um die Charakteristik von "Warme Zorg" in zahlreichen Interviews zu erfassen und schriftlich für Aussenstehende zu erschliessen.

 
 

Da Menschen mit Demenz uns in unserer Gesellschaft immer häufiger begegnen, waren wir an diesem von Diny bearbeiteten Thema sehr interessiert, zumal es eine Seltenheit ist, dass man die Verfasserin eines interessanten Buches aus direkten Begegnungen so hautnah kennenlernen durfte, wie wir dies mit ihr und ihrem Gatten Michael erleben durften. Michael hat übrigens das Buch mit seinen Strichzeichnungen illustriert. Gegenwärtig ist das Buch nur in niederländischer Sprache erhältlich. Es ist zu hoffen, dass es bald auch in Deutsch zu haben ist, sind doch in Deutschland, Österreich und in der Schweiz Institutionen auf dem gleichen Weg tätig, für Menschen mit Demenz angemessene Begleitung und Wohnmöglichkeiten aufzubauen und zu betreiben.


Das Faszinierende an diesem Buch lässt sich in folgende Punkte fassen:
Diny Stamm, die Buchverfasserin, mit ihrem Gatten Michael Buter, Kunstmaler
 
 

Demenz ist ein unheilbares Fortschreiten von abnehmender Denkkraft in Menschen, denen wir dessentwegen nicht als Pflege- und Therapie-Objekte begegnen sollten, sondern sie weiterhin als vollwertige Menschen auf gleicher Augenhöhe ansprechen. Menschen mit Demenz müssen nicht "versorgt" und beschäftigt, sondern in Würde in den Bereichen unterstützt werden, wo ihre Denkkraft sie im Stich lässt.

Menschen mit Demenz werden sich ihrer abnehmenden Denkkraft gewahr. Nicht mehr zu wissen, wer man ist, bei wem man ist, wie man hierhergekommen ist, macht Angst, bedrängt und schafft Unsicherheit. Gemäss der Bindungs-Theorie, die John Bowlby (1907-1990) auf Grund von Beobachtungen bei Kleinkindern entwickelt hat, suchen auch Menschen mit Demenz in ihrer Not die emotionale Geborgenheit bei ihrer Mutter oder in ihrem Zuhause. Diesem instinktiven Trieb nach Geborgenheit muss eine Wohnsituation und eine pflegefachliche Begleitung von Menschen mit Demenz entsprechen.

Das in den 70er Jahren vom Arzt Hans Houweling (1946 - 2017) entwickelte Konzept von "WarmThuis" geht von diesem Hintergrund aus und schafft kleine Wohngruppen von 6 Bewohnern mit je einem eigenen Zimmer, in das sie sich zurückziehen können. Die Zimmertüren gehen alle direkt auf den grossen Gemeinschaftsraum, wo auch gekocht, gegessen, gespielt und geschwatzt wird. Die Wohnbegleiterin unterstützt die Bewohner in ihren Tätigkeiten und hat dank der architektonischen Anordnung alle im Blickfeld. Ein grosser Garten erlaubt unbegleitete Spaziergänge der Bewohner an frischer Luft und den Bewegungsdrang abzubauen.
Arzt Hans Houweling, Begründer von WarmThuis

 
     
 
Titelblatt von Dinys Buch Rückseite von Dinys Buch
 
 

"Warme Zorg" fasst Diny Stam zusammen mit dem Satz: "Warme Zorg" heisst, Menschen begleiten und betreuen mit Dürfen (Kompetenz, Rückhalt im Management), Wagen (Selbstvertrauen, Verantwortung übernehmen) und Können (fachliche Fähigkeit) im Verband mit Phantasie, um den Alltag für jeden einzelnen Bewohner zu beleben, Zuwendung, um Geborgenheit und Wohlbefinden zu schaffen, und Kenntnis über die Biografien und Eigenschaften der Bewohner, um sie immer wieder in ihrer Persönlichkeit individuell ansprechen zu können. Enge Kontakte zu den Familienangehörigen unterstützen diese Kenntnis. Dazu kommt die wiederholte Frage: Wie könnte es noch besser gemacht werden?

In ihrem Buch schildert Diny Stamm unzählige Situationen, die diese "Warme Zorg" facettenreich illustrieren. Sie zeigt aber auch auf, mit welch grossem Engagement die Wohnbegleiter arbeiten, von denen viele sich von den tayloristisch organisierten Alten- und Pflegeheimen abwandten bzw. ihre Arbeit dort nicht mehr als befriedigend erlebten. "WarmThuis" stützt sich auf diese Fachkräfte, die in ihrer Arbeit eine Berufung erfahren und nicht bloss ihren Job erfüllen. Unter dem Dach des auf die Bewohner zentrierten Leitbildes, mit der vom Management geforderten und gestützten grossen Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit der Mitarbeitenden und der immer wiederkehrenden Frage: Wie könnte es noch besser gemacht werden? ist "WarmThuis" eine selbstlernende Organisation mit Zukunft.

 
 

Die Stiftung "WarmThuis" mit ihren zwei Betriebsstandorten erbringt den Beweis, dass es möglich ist, das Konzept "Warme Zorg" anzuwenden bei ebenbürtigen Kosten, wie sie die konventionellen Alten- und Pflegeheime verursachen.

Stiftung WarmThuis - Logo
 
 

Darum passt auch der Titel von Diny Stamms Buch: "Voor hetzelfde geld is het wel waar - Zorg voor levensgeluk bij dementie" (Für gleichviel Geld ist es machbar - Mit Betreuung zu Lebensglück bei Demenz).

 

 

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