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Mit Willi und Dagmar zurück von Anklam nach Berlin

 
 

Damit war unser Ausflug zur Peene und zur Insel Usedom beendet und wir konnten am 30. Mai von Anklam aus den Rückweg nach Berlin antreten. Gemeinsam verliessen wir um 09:10 Uhr unseren Liegeplatz am Pfahl von Menaje vor Anklam und steuerten auf die Eisenbahnbrücke am Stadtausgang zu, die planmässig zwischen 09:20 h und 09:40 h für die Schifffahrt öffnete.

Wie man sieht, fahren wir mit Dagens 2 unter niederländischer Fahne. Unsere Fahrt führt über ein Stück durch Polen. Wir wollten vermeiden, dass wir einer Patrouille der polnischen Wasserpolizei hätten erklären müssen, warum wir rechtmässig unter Schweizer Fahne fahren

Abfahrt von Anklam am 30.5.2022 Richtung Berlin

 
 

dürfen, auch wenn das Schiff in den Niederlanden registriert ist und am Heck den Heimathafen "Vlaardingen" trägt.... und dies alles in Englisch, was für beide Seiten eine Fremdsprache darstellt, wo uns viele Fachausdrücke nicht geläufig sind.

 
 

Eisenbahnbrücke in Anklam - geöffnet

Noch ein letzter Blick zurück auf die geöffnete,  soeben durchfahrene Eisenbahnbrücke von Anklam.

Von da weg trennten sich unsere Wege. Willi und Dagmar wollten sich unterwegs noch Kamminke und Stolpe an der Oder anschauen, während wir uns darauf freuten, Ueckermünde zu entdecken, von dem uns Gerda und Toni am Winterliegeplatz in Potsdam so geschwärmt hatten.

 
 

Auf der geführten Stadtrundwanderung durch Uekermünde

Ueckermünde empfing uns überaus gastfreundlich am Kai vor der Klappbrücke, ganz in der Nähe des touristischen Informationszentrum, mitten in der Altstadt.

Einer äusserst unterhaltsamen Stadtführerin folgend, schafften wir uns zuerst einen topografisch-geschichtlichen Überblick über die Stadt und ihre weiteren Sehenswürdigkeiten.

Dabei erfuhren wir, dass namensgebende Fluss im Entstehungsgebiet Brandenburg "Ucker" heisst und im Mündungsgebiet zur Uecker wird. Dummerweise hat die Sprach- und Schreibreform unter Duden und der Schreibmaschinentechnik den Umlaut "ü" in Grossschrift zu "Ue" normiert. Dabei ging die viel ältere Schreibweise eines mit "e" gedehnten "U" flöten und die heutigen Leser sprechen Ueckermünde als Ückermünde aus.

 

 
 

Es gab eine Zeit, da wurde die Dehnung des "U" sogar mit einem "h" verstärkt, also Uehckermünde, damit man es gemäss dem pommerschen Dialekt "Uuukermünde" aussprach.

 
 

So viele kleine Details erfuhren wir  Stadtbesucher aus dem Mund unserer charmanten Stadtführerin. Im ehemals berühmten Fischerdorf hat am 1. Dezember 2021 der letzte, 61 Jahre alte Fischkutter "Bergen" seinen festen Liegeplatz im Heimathafen Ueckermünde eingenommen und ging darauf nie mehr auf fahrt. Er liegt jetzt als technisches Denkmal im Stadthafen. Die drastisch reduzierten Fangquoten liessen eine wirtschftliche Weiterführung des Fischereibetriebes nicht mehr zu.

Dagens 2 im Stadthafen von Ueckermünde

Der Fischerkutter "Bergen" im Stadthafen von Ueckermünde.

 
 

Seemann mit Schifferklavier im Stadthafen von Ueckermünde

Der Schiffer mit seinem Schifferklavier am Kai des Stadthafens könnte noch viel von Ueckermünde erzählen

von den Herrschern aus dem Adelsgeschlecht der Greifen, denen wir bereits im Schloss von Stettin begegnet sind

vom großen Stadtbrand von 1473, dem viele der mittelalterlichen Häuser und die Kirche den Flammen zum Opfer fielen

vom ehemaligen pommerschen Herzogsschlos, das 1546 errichtet wurde und heute Museum und Stadtverwaltung beherbergt

vom 30-jährigen Krieg, welcher ddie Bevlökerung des Ortes von 1'600 auf 15 schmälerte

von den Slawen, den Polen, den Schweden, den Sachsen, den Preussen, den Franzosen, den Deutschen, den Russen, welche im Wechsel den Ort besetzten und regierten

von den 102 Schiffen, die von 1781 bis 1795 in Ueckermünde vom Stapel liefen

von den rund 50 Ziegeleien die im 19. Jahrhundert in Betrieb genommen wurden

vom „Christophorus-Krankenhaus“, das gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit neuartigen Behandlungsmethoden und Therapieformen als ausgesprochen fortschrittlich galt

von der Entwicklung zum Ostseebad für kleine Geldbörsen anfangs des 20. Jh.

von der traurigen Berühmtheit, welche die Heilanstalt unter der Nazi-Zeit im Zuge der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ erreichte

von der grossen Gießerei mit 1'100 Beschäftigten zu DDR-Zeit, welche noch heute für MAT Foundry Group (USA) Autoteile zuliefert

von der seit 1990 hübsch sanierten Altstadt und dem heute blühenden Wassersport- und Rad-Tourismus.

Unsere Stadtführerin als pommersche Hofdame am Schweinemarktplatz

Das Wappen der Stadt Ueckermünde zeigt den roten Greif vom Adelsgeschlecht der Greifen, die als Herzöge ab dem 16. Jh. Pommern regierten

Das Stadtwappen von Ueckermünde.

Die zwei Großbuchstaben in lateinischer Schreibweise in dem wohl aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts stammenden Vollwappen sind als „UU“ zu lesen und bedeuten „URBS UCRA“ = Stadt an der Uecker.

Früheres Gefängnis im Stadtschloss - heute Trausaal

Nun haben wir so oft längsseits von Menaje an deren Pfahl geankert, dass wir Lust kriegten, es vielleicht auch einmal allein zu probieren. Doch dazu musste unsere Ankerwinde funktionieren. Zusammen mit Willi haben wir gesehen, dass die Winde technisch in einwandfreiem Zustand ist. Allein die Schmiere ist in den letzten 10 Jahren etwas eingetrocknet und auf manchen beweglichen Teilen lag gut gemeinte Farbe. Handeln war angesagt und das warme Abendwetter war nach der wunderschön ruhigen Fahrt übers Haff geradezu ideal für diese Arbeit. 

Punkto Schmieren finden sich zwei "Glaubensrichtungen". Die einen schwören auf gut haftendes Schmierfett, das nicht tropft und keine Spuren an Deck hinterlässt. Dafür muss periodisch eingetrocknetes Fett entfernt und neu geschmiert werden.

Die anderen stehen auf Schmieröl, welches nicht klebrig verharzt, dafür fleissiger aufgebracht werden muss und jeweils aufs Deck abtropfen kann.

Wir haben uns nach der grossen Reinigung für das zweite Lager entschieden und schauen mal, welche Erfahrungen wir mit Öl machen werden.

Revision der Ankerwinde auf Dagens 2

Nach einem schönen Radausflug entlang der Uecker nach Torgelow verliessen wir am vierten Tag den Erholungsort Ueckermünde und konnten mit einer sagenhaft ruhigen Fahrt übers Haff unsern Zwischenhalt im polnischen Trzebież erreichen. Wir machten - wie gehabt - am langen Aussensteg fest, gingen uns im Hafenbüro anmelden und bezahlten die geforderte Liegegebühr. Per Rad folgten wir dem Strand Richtung Nordwesten und entdeckten eine moderne Spiel- und Badanlage mitsamt einem Aussichtsturm, wo Schwalben in Griffnähe nisteten.

 
 


Aussichtsturm am Strandboulevard von Ziegenort

 
 

Gegen Abend kam Wind auf. Wen kümmert's. Wir lagen ja gut angebunden an einem festen ruhigen und windgeschützten Steg. Plötzlich, gegen 21 Uhr, kam ein junger Mann im Auftrag des Hafenmeisters, der uns anwies, auf die Innenseite der Mole zu wechseln, da wo sonst das Schnellbot für die Nacht festmacht. Alles Argumentieren half nichts. Wir mussten nächtlicherweise mit strengem Nordwind, der ungebremst über die Betonmole hereinblies, mit aller Kraft unsere Dagens 2 an den Steg drücken und festmachen. Schweisstropfen! Wen wundert's, dass wir in dieser unerwünschten Lage feststellen mussten, dass der Landgang von dieser Mole mit einem Codekästchen abgesperrt war und auch kein Hafenmeister mehr auf einen Telefonanruf antwortete.

 
 
Übers Stettiner Haff morgens um halb sieben Uhr am 4.6.2022

Mit etwas anderen als gastfreundlichen Gefühlen verliessen wir in aller Früh (06:20 Uhr) nach einer unruhigen Nacht diesen Liegeplatz, lange bevor ein Hafenmeister sein Auge öffnete. Die Weiterfahrt lenkte unsere Gefühle rasch wieder ins Positive. Wir kreuzten Monster-ähnliche Seeschiffe und "verschneite" Hügel (Kaliberge) in der Annäherung an Stettin. 

Übers Stettiner Haff morgens um halb sieben Uhr am 4.6.2022
 
 
Kaliberge an der Zufahrt vom Haff nach Stettin
 
 

Bereits um halb zehn Uhr am 4. Juni 2022 fuhren an der prominenten Stadtansicht von Stettin vorbei und erinnerten uns kurz an den interessanten Aufenthalt, den wir auf der Hinfahrt hier verbracht hatten.

 
 
Haken-Terrasse (links) und Gebäude der regionalen Wirtschaftsverwaltung (rechts) am Stettiner Oderufer Schloss der pommerschen Herzöge der Greifen - heute Museum/Tourismusbüro/Verwaltung
 
 

Wir fuhren auf der Westoder weiter in Richtung deutsche Grenze, nach unserem Lieblingsort Mescherin mit dem freundlichen Hafenmeister, Herrn Menanteau, der uns nach unserer Ankunft mit selbstgebackenem Rhabarberkuchen überraschte.

 
 

Am Kai in Mescherin - Westoder

Deutscher Grenzpfahl an der Westoder

Unser allerliebster Hafenmeister in Mescherin

 
 

Es war Pfingsten - ein
Ruhetag. Sven und Margritte machten mit ihrem Wohnmobil am Hafenufer ebenfalls eine Pause; wir kamen ins Gespräch und unterhielten uns prächtig im Halbbschatten auf unserer Schiffsterrasse.


Am Pfingstsonntag Abend teilten wir den Liegeplatz mit dem Hotelschiff "Excellence Coral" des Reisebüros Mittelthurgau, das hier einen Zwischenhalt auf seiner Fahrt von Stralsund nach Berlin machte. Mit seinen 82 Metern Länge ragte das Flusskreuzfahrtschiff hinten etwas über den Kai hinaus, so wie wir unsere Bugnase etwas über den Kairand hinaus steckten. Aber dank der festen Poller am Kai waren beide Schiffe  sicher vertäut.

frischer Rhabarberkuchen vom Hafenmeister in Mescherin, Herrn Menanteau
 
 

Zusammen mit MS Excellence Corall am Kai von Mescherin

Von Mescherin weg fuhren wir am Pfingstmontag mit unserer Dagens 2 wieder unter Schweizer Flagge.

 

Unsere Freunde hatten in der Zwischenzeit vor uns den Ort Stolpe an der Westoder erkundet und waren bereits unterwegs zu unserem nächsten Treffpunkt im Flussarm der Wriezener Alten Oder unterhalb des Hebewerkes Niederfinow.

 
 

Wriezener Alte Oder - für uns schiffbar bis zu den Liegedalben

Unser Liegeplatz an der Wriezener Alten Oder (gelbe Markierung).

Am oberen Bildrand führt die Havel-Oder-Wasserstrasse durch Oderberg über den Oderberger See nach Berlin.

Bachstelzen - liebliche Begleiter in assortiertem Federkleid

Treue Begleiter auf der Fahrt der Dagens 2 - im assortierten Federkleid (Bachstelzen).

 
  Mit MS Menaje im Paket auf der Wriezener Alten Oder  
 

Mit kaum mehr Wasser unter dem Kiel erreichten wir die Liegedalben in der Wriezener Alten Oder, wo unsere Freunde Willi und Dagmar ihr Schiff Menaje bereits festgesetzt hatten. Ein weiteres Mal durften wir langs Menaje anlegen und im Paket übernachten. Freudiges Wiedersehen und nach dem Ankertrunk sofort ein "Mensch-ärgere-dich-nicht"-Spiel. Landgang brauchten wir hier nicht, aber ein feines gemeinsames Abendessen und etwas Vorfreude auf den morgigen Tag mit dem Schiffshebewerk Niederfinow.

Von diesem Liegeplatz aus wird die Wriezener Alte Oder zunehmend untief und für den Tiefgang der Dagens 2 von 1,4 Meter nicht mehr befahrbar. Aber Wenden an diesem Ort gelang, mit ziemlich viel aufgewühltem Schlick.

 
 

Unsere gemeinsame Bergfahrt über das alte Niederfinow Schiffshebewerk wurde zu einer lustigen Begegnung mit der Wasserpolizei. Sie hatten uns bereits am Vortag in der Wriezener Alten Oder liegen gesehen und sich gewundert, dass wir mit zwei so grossen Schiffen, ohne auf Grund zu laufen, so weit hochfahren konnten.

Sie fragten uns, ob wir schon kontrolliert worden wären, was wir lachend bejahten. Sie setzten sich umgehend hinter den Bordcomputer, um ihre Datenbank zu konsultieren..... und siehe da: Sie fanden uns und erklärten uns lachend für okay. Eine Begegnung der durchaus freundlichen Art.

Im Niederfinow Schiffshebewerk zu Berg

 
 

Während wir am 7.6.2022 im Trog des 88 Jahre alten Schiffshebewerkes hochfuhren, grüsste von der gegenüberliegenden Seite das neue Niederfinow Schiffshebewerk, das immer noch in der Testphase steckte. Es sollte noch bis zum 4. Oktober 2022 dauern, bis es nach 14 Jahren Bauzeit endlich in Betrieb genommen werden konnte.

Nach dem Hebewerk lag eine lange, für grosse Schiffe ausgebaute, aber fahrtechnisch eher langweilige Kanalstrecke vor uns. Mit einem köstlichen Abendessen brachten wir beim Zwischenhalt in Eberswalde eine willkommene Abwechslung in den Tagesverlauf: eine uns bisher noch unbekannte Form von Käsefondue: Ofenkäse.

Neues Schiffshebewerk in Niederfinow
 
 
Eine andere Form von Käsefondue: aus dem Gefrierfach in den Ofen und heiss auf den Tisch

Aus der Verpackung direkt in den Ofen und nach kurzer Zeit heiss auf den Tisch. Die Deckschicht in Dreiecken aufgeschnitten und umgelegt: schon kann man mit Brot an der Gabel im weichen Käse rühren und den vorzüglich mundenden Brocken geniessen, bis der Grund des Käselaibes erreicht ist.

Am Folgetag erreichten wir gemeinsam den Liegeplatz in der Nische vor der Schleuse Liebenwalde. Auf der einen Seite Wasser, auf der anderen Seite ein riesiger Steinhaufen und zuoberst ein fröhlich singender Goldammer.

 
 
Willi und Dagmar, unsere Freunde und Partner auf der Reise zur Peene und nach der Insel Usedom Singender Goldammer
 
 

Der nächste Tag, es war der 11. Juni 2022, war unser letzter gemeinsamer Fahrtag mit Dagmar und Willi auf unseren beiden Wohnschiffen Menaje und Dagens 2. Auf der Havel-Oder-Wasserstrasse meisterten wir mit einer stündigen Wartezeit vor der Schleuse Lehnitz die 39,5 km lange Strecke vom Liegeplatz an der Schleuse Liebenwalde bis zum Nordhafen in Berlin-Spandau mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 7,5 km/h. Dort legten wir uns zuhinterst an den Steg........

 
  Dagens 2 und Menaje am 11.6.2022 angekommen im Nordhafen von Berlin-Spanda  
 

... und machten uns fein, um im Steakhouse "La Plancha II" den Abschluss unserer gemeinsamen siebenwöchigen Reise zu feiern. Es war ein würdiges Festessen mit feinem Nachtisch. Wir waren froh, danach einen gemütlichen Verdauungsspaziergang zu unseren Schiffen zurück machen zu können.

Dagmar und Willi waren hier ganz nah vom Menaje - Stammliegeplatz, den sie am Folgetag erreichten, während wir mit Dagens 2 allein - welch ein ungewohntes Gefühl ! - zu unserem Reiseziel Marina am Tiefen See in Potsdam  weiterfuhren.

Restaurant La Plancha II in Berlin-Spandau

 
 

Begrüssung durch Helga in der Marina am Tiefen See in Potsdam

Kaum hatten wir in der Marina am Kopfsteg angelegt, winkte uns Helga vom Ufer her und kam uns zu einem Trunk  willkommen heissen.

 

 

 

Wir verblieben noch zwei Wochen in Potsdam, bevor wir uns auf unsere nächste Reise nach Groningen in den Niederlanden aufmachten.

 
 

   (Für die Statistik: Wir hatten auf dieser Reise mit 124 Laufstunden des Motors 968 km zurückgelegt.)

 

 

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