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Unterwegs im Licht

Ein Fest für die ganze Familie mit kulturellem Programm zum Jahresauftakt in Potsdams historischer Mitte am 21. Januar 2017

 
 

Potsdam startete schon am 21. Januar 2017 in die Open-Air-Saison.

 

 

 

 

Unter dem Motto "Unterwegs im Licht" lud Potsdam in der dunklen Jahreszeit zu einem besonderen Stadtfest in  der Neuen Potsdamer Mitte ein. Das Besondere daran war, dass alle teilnehmenden Einrichtungen durch das Thema "Licht" inhaltlich und optisch miteinander verbunden waren. Hier im Bild das illuminierte Alte Rathaus von Potsdam.

Neuster Teilnehmer war dieses Jahr das Museum "Barberini". Es war am Vortag im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Stifter Hasso Plattner eröffnet worden. Die Eröffnungslaudatio sprach Fernsehmoderator Günter Jauch. Unter den Gästen weilte auch Bill Gates, welcher einige Bilder aus seiner Privatsammlung für die Eröffnungsausstellung zur Verfügung gestellt hatte. Als Erstes zeigt das Barberini-Museum eine tolle Zusammenstellung von Werken bekannter Impressionisten. Die Eröffnung und die Ausstellung waren bereits über Monate zuvor auf Plakaten und Inseraten angekündigt worden. Entsprechend gross waren die Erwartungen des interessierten Publikums. Und wie es sich interessierte !  Am Tag nach der offiziellen Eröffnung bildete sich vor dem Museumseingang eine Warteschlange, die das nebenliegende Stadtschloss halb umrundete. Vier Stunden anstehen, in Nässe, Frost und Kälte. Jemand verglich die Warteschlange mit der Erinnerung, als zu DDR-Zeiten eine Lieferung Bananen beim Früchtehändler angesagt war.

 

 

 

 

Wir verschoben unsern Besuch auf einen späteren Tag, können aber rückblickend sagen, dass der Anblick der ausgestellten Werke in ihrer Schönheit und in ihrer Präsentation die Wartenden vollauf entschädigte.

 

 

Eingebettet in das Rahmenprogramm "Unterwegs im Licht" bot das Tourismusbüro Potsdam eine stündige Stadtführung rings um "Potsdams Neue Mitte" (d.h. rings um das im Stil des alten Stadtschlosses wieder aufgebaute Gebäude des Brandenburgischen Landtages).

Thematisch gehört diese Stadtführung zum Lutherjahr, welches in Potsdam unter dem zusammenfassenden Jahrestitel "Stadt trifft Kirche" gefeiert wird. Unser Gästeführer Dr. Wolfgang Eisert liess uns nicht nur an seinem grossen historischen Wissen über die Zeit vom 16. Jahrhundert bis heute teilhaben. Nein, er hatte auch ein ausserordentliches Geschick, dieses Wissen humorvoll zu verpacken und uns "süffig" anzubieten. Obschon Potsdam von der Geburtsstätte und den wesentlichen Aufenthaltsorten Luthers über 80 km weit entfernt liegt, gibt es hier auch eine Lutherstrasse und einen Lutherplatz.

 

 

Die häufigen Machtwechsel in der Brandenburgischen Mark, die Heiraten zwischen Mitgliedern der europäischen Adelshäusern und der stete wirtschaftliche Druck, Ausländer als neue Einwohner anzusiedeln, führten in Brandenburg zu einer relativ grossen Toleranz zwischen den Religionen. Die Gemahlinnen von Fürsten und Königen hatten darauf grossen Einfluss. Farbig und lebendig schilderte unser Tourguide den Drang Luthers, seine neue Sicht auf das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen zu verkünden. Gewaltig muss ein Gottesdienst in Deutsch auf die Kirchgänger gewirkt haben, die zuvor nur unverstandene lateinische Messen zu hören kriegten. Ganz abgesehen davon, dass Luther ein hervorragender Redner gewesen sein muss, dem man freiwillig, gerne und lange zuhörte.

 

 

Auch wenn wir 2017 den 500. Jahrestag feiern, an dem Luther 1517 seine 95 Thesen an die Kirchentüre zu Wittenberg angenagelt haben soll, so war er doch nicht der alleinige Denker im Bereich religiöser Erneuerung. Jan Hus predigte bereits vor Luther in Böhmen (liegt im heutigen Tschechien) und wurde durch das Konzil in Konstanz 1415 als Abweichler vom "offiziell richtigen Glauben" (=Ketzer) öffentlich verbrannt. Huldrich Zwingli verteidigte 1523/24 in seinen Zürcher Disputationen öffentlich die mit Luther in weiten Teilen übereinstimmenden Ansichten und publizierte 1525 - drei Jahre nach Luther - ebenfalls eine ins Deutsche übersetzte Bibel. Im französischsprachigen Raum setzte sich Johannes Calvin für seine reformatorisch denkenden Mitbürger ein und publizierte ab 1535 seine Schrift "Institutio Christianae Religionis" (dt. „Unterricht in der christlichen Religion“). Damit opponierte Calvin nicht nur gegen die katholische Kirche, sondern direkt auch gegen den König von Frankreich, weil Katholisch in Frankreich die vom absolutistischen Herrscher verordnete Staatsreligion war.

 

 

Jan Hus (~1370-1415)

Martin Luther (1483-1546)

Huldrych Zwingli (1484-1531)

Johannes Calvin (1509-1564)

 
 

Unser kundiger Stadführer wies auch darauf hin, dass es in Potsdam eine russisch-orthodoxe Kirchgemeinde gibt. Sie geht auf die Ansiedlung russischer Soldaten in der Siedlung "Alexandrowka" von 1826/27 zurück. Eine jüdische Gemeinde hat nicht weit davon ihren erneuerten Friedhof und ein kurz vor Baubeginn stehendes Projekt für eine neue Synagoge.  

Ein weiteres, stadtpolitisch umstrittenes Bauprojekt sei der Wiederaufbau des Turmes der ehemaligen Garnisonskirche, in welcher verschiedene geschichtsträchtige Zusammenkünfte für Friede und Vereinigung stattgefunden hätten und in der seinerzeit die Preussischen Könige mit ihrer Familie dem sonntäglichen Gottesdienst beiwohnten. Die Garnisonskirche war 1968 als angebliches Symbol des deutschen Militarismus gesprengt worden. Eine Bürgervereinigung und zahlungskräftige Sponsoren werben für den Wiederaufbau zumindest des Turmes, denn dieser gehört zum Dreikirchenblick, eine Stadtsilhouette, an der Reisende seit jeher die Stadt Potsdam von fern erkannten.

 

 

 

 

Modell der Turmfassade am Originalstandort der Garnisonskirche und Schaustellung einiger Dekor-Elemente an der Breite Strasse in Potsdam.

 

 

 

 

Zum Schluss führte uns Dr. Wolfgang Eisert noch in die Nikolaikirche, welche der preussische König Friedrich Wilhelm III ursprünglich für die ins Land geholten Bergleute aus dem wallonischen Gebiet (Belgien, katholisch) nach dem Vorbild des Petersdoms in Rom zwischen 1830 und 1850 bauen liess. Die schwerpunktsmässig aus dem Gebiet von Lüttich stammenden Bergwerksfachleute mitsamt ihren Familien sollten sich dank der eindrucksvollen katholischen Kirche in dem sonst protestantischen Brandenburg wohl und heimisch fühlen. Wirtschaftsförderer von heute würden dies als "positiven Standortfaktor" bezeichnen.

 

 

 
 

Doch halt! Für den Drei-Kirchen-Blick fehlte noch eine Kirche. Neben der Nikolaikirche in Richtung Nord geguckt, war ein ulkiger Turm zu sehen. Eine Art Kirchenturm mit Mobilfunkantennen. Es war der Wohnturm des Altenheims Heilig-Geist-Park. Dort stand einsmals bis zum Zweiten Weltkrieg die Kirche zum Heiligen Geist, eben die dritte Kirche, welche die Stadtsilhouette prägte. An ihrer Stelle errichtete ein Investor eine Altersresidenz, deren Aussenhülle die Form der ehemaligen Heilig-Geist-Kirche nachzeichnete, ohne aber ein Gotteshaus zu sein. Den Wohnturm ziert eine künstlerisch gestaltete Metallkonstruktion, die von der Ferne wie ein barocker Kirchenturm erscheinen mag.

Das Spannende und auch Wohltuende an dieser nachempfundenen Aussenhülle der Heilig-Geist-Kirche ist die Tatsache, dass der Turm ein wiederkehrendes Erkennungsmerkmal in verschiedenen Sichtachsen der preussischen Parkanlagen und Gärten darstellt. Die Sichten wären leer, wenn der Turm nicht bestände.

 
 

Die 1726 errichtete Heilig-Geist-Kirche in Potsdam, im Zweiten Weltkrieg zerbombt und als Ruine 1974 abgerissen.

Die heutige Senioren-Wohnanlage Heilig-Geist-Residenz, deren Turm die Kontur des ehemaligen Kirchturmes aufnimmt.

 
 

Dreikirchenblick von Potsdam (in einer digitalen Visualisierung)

in Blickrichtung West (vlnr): Garnisonskirche - Nikolaikirche - Heiliggeistkirche

Dreikirchenblick von Potsdam

in Blickrichtung Ost (vlnr): Garnisonskirche - Nikolaikirche - Heiliggeistkirche

Der Dreikirchenblick von Potsdam, wie er 1850 ausgesehen haben müsste (digitale Visualisierung).

 
 

Das bunte Programm von "Unterwegs im Licht" mit ausschliesslich kostenfreien Veranstaltungen bot uns einen wunderbaren Kinobesuch im Filmmuseum mit dem Film "Ein Engel auf Erden" aus dem Jahre 1959. Eine Romanze mit Romy Schneider, Henri Vidal und einem ganz jungen Jean-Paul Belmondo.

 

 

Unsern Weg setzten wir fort entlang des illuminierten Gebäudes des Brandenburgischen Landtages ....

 
 

 

 

.... über den Zugang zum Kutschstall am Neuen Markt und schliesslich ....

 

 

 
 

.... zum Restaurant "el Puerto" am Hafen von Potsdam, wo wir mit einem feinen Znacht diesen herrlichen Tag beendeten. Bis und mit Café hatten wir Zeit, die vielen schönen Eindrücke nochmals Revue passieren zu lassen und mit Menschen aus Potsdam zu teilen, die auf unsere einladende Geste an unserem Vierertisch Platz genommen hatten.

 
     
 

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 aktualisiert: 6.2.2017 / BG & hg