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November 2013 in Cergy / Paris

 

 

Auf den 2. November hatte Jessica in Worb zu ihrem 18. Geburtstag eingeladen. Bernadette nutzte die schnelle Bahnverbindung mit dem TGV Lyria zwischen Paris und Bern und fuhr zu einem Blitzbesuch zur Geburtstagsparty von Jessica. Natürlich traf sie danach auch ihre Söhne und fuhr mit ihrer Schwester Therese zur Mutter nach Willisau.

 

 

 

 

 

 

 

Viel wird über Handarbeit diskutiert.

 

 

Heinz durchstöberte in dieser Zeit in Paris verschiedene Buchhandlungen und deckte sich mit Büchern über Paris und nützlichen Wegweisern durch die Grossstadt ein. Von da weg konnten wir - gut dokumentiert - mit der systematischen Entdeckung dieser faszinierenden Weltstadt beginnen.

 

 

Als handwerkliche Abwechslung und um das Warten auf die Rückkehr von Bernadette zu verkürzen, fertigte Heinz eine Einstiegshilfe zu unserer Dagens 2 an. Verlassen am Uferrand der Oïse fand sich ein kleinformatiges Holzpalett, das punkto Stabilität und Eigengewicht zu passen schien. Ein paar Anpassungen mit der Säge und der Schleifmaschine, dann Farbe darauf und schon war der Tritt fertig.

 

 

Als erster kam Hans Paul vom Seeland bei uns zu Besuch. Er kannte Paris von früheren Besuchen und wollte einige Orte wiedersehen. Das war für uns Neulinge ideal. Mit ihm begannen wir, Paris zu entdecken. Bei Chatelet-les-Halles  bestaunten wir die Endarbeiten dieses riesengrossen, vierstöckigen Einkaufszentrums "Forum des Halles", das im 5. UG von den Regionalzügen der RER und der Metro unterfahren wird. Le Canopé, das heisst Baumkrone, war als Dach oben drüber zur Zeit unseres Besuches eben in Fertigstellung, nachdem sich der frühere "Bauch von Paris" über 14 Jahre als riesige Baustelle präsentiert hatte. In etwa einem Jahr dürften dann auch die Umgebungsarbeiten beendet und die grosszügigen Freiflächen von den Menschen zurückerobert sein..

 

 

 

 

Einmal vor der Kathedrale "Notre Dame de Paris" zu stehen und ihr gerade noch rechtzeitig vor Ablauf des Jubiläumsjahres zum 850 jährigen Geburtstag zu gratulieren, war ein erhabenes Gefühl. 1163, im hohen Mittelalter, begann ihre Baugeschichte, noch bevor jemand daran dachte, auf der Aarehalbinsel einen Bären zu jagen und nach dessen Erlegung dort die Stadt Bern zu errichten. Auf dem festem Grund der Île de la Cité gebaut, konnte sie von ferne mitverfolgen, wie sich unsere Vorfahren bei Morgarten, Sempach, Murten, Laupen und am Grauholz stritten, wie die Gedanken von Rousseau unter Napoléon durch ganz Europa fegten, wie sich die daraus entstandenen Nationalstaaten über zwei Weltkriege bestritten, woraus sie, die ehrwürdige Kathedrale, wundersam unverletzt hervorging und zu ihrem Geburtstag am Samstag vor Palmsonntag 2013 mit neun neuen Glocken geehrt wurde. Wann immer nun der Mehrklang von Notre Dame de Paris über die Stadt ertönt, denken wir in aller Stille an diesen Zeitzeugen aus 850 Jahren europäischer Kulturgeschichte.

 

 

Dagegen präsentiert sich das in der Nähe liegende Centre Pompidou noch wie ein junger Wildfang. Was zuerst wie eine chemische Fabrikanlage aussieht, beherbergt zahlreiche Wechselausstellungen, Konferenzräume und Aktionsflächen. Wir sparten uns die Innereien für einen späteren Besuch auf und bestaunten erst einmal die Aussenhülle, die doch - von Nahe betrachtet - auch schon unter dem Zahn der Zeit zu leiden beginnt. Nicht nur Kathedralen brauchen Unterhalt. Auch moderne Baustoffe rosten oder veralgen. Allerdings richten sich diese farbgebenden Prozesse nicht nach dem ursprünglichen Dekorationskonzept. Als eigenwilliges Konstrukt inmitten grossstädtischer Blockrandbebauung entlang der von Stadtarchitekten Baron Georges Eugène Haussmann ab 1850 festgelegten Stadt-Alleen wird das Kulturzentrum noch lange daran erinnern, dass die Franzosen einmal George Pompidou zu ihrem Präsidenten (1969-1974) gewählt haben

 

 

 

 

Weiter ging unsere erste Entdeckungstour von Paris, zusammen mit unserem neuen Gast Ursula, zur Basilika Sacré coeur de Montmartre, wo seit über 100 Jahren Tag und Nacht Gott angebetet wird. In Raum und Bild begegneten wir hier eindrücklich der speziellen Ausdrucksform katholischer Spiritualität durch die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Uns wurde bewusst, dass wir der hervorgehobenen Darstellung des Herzens auf der Brust - unwissend der Hintergründe - bereits vielerorts begegnet sind. Ein Aha-Erlebnis, das zu weiteren Gedanken und Lektüre anregt.

 

 

 

 

Anlässlich der Stipvisite von Renate und Luzius mit Geburtstagsfeier an Bord von Dagens 2 vermittelten sie uns wertvolle Hinweise für weitere Sehenswürdigkeiten. So auch die Empfehlung zum Besuch des Museums für Kunst. Le Musée d'Orsay liegt direkt an der Seine gegenüber vom Jardin des Tuileries. Wir stiessen dort auf Werke von Paul Cézanne, Vincent van Gogh, Claude Monet, Auguste Rodin, Édouard Manet, Henri Matisse und vielen weiteren Künstlern aus der Zeit zwischen 1848 und 1914.

 

 

Vor dem musee dOrsay

 

 

Ursprünglich war das palastartige Gebäude als Bahnhof gebaut worden. Der Gare d'Orsay entstand zur Weltausstellung 1900. Der Bau hatte sich - als Vorgabe - in das elegante Umfeld des Palais de Luxembourg und des Hôtel des Invalides einzugliedern. Von hier aus fuhren die Züge in den Südwesten Frankreichs. 1939 wurde der Verkehr eingestellt. Danach wurden im leerstehenden Bahnhof noch vereinzelt Filme gedreht, wie z.B. anfangs der 1960er Jahre die Kafka-Verfilmung "Der Prozess" vom Regisseur Orson Welles. 1977 wurde nach einer Initiative des damaligen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing entschieden, den Bahnhof in ein Museum umzuwandeln. Die einst dem Zugsverkehr dienenden Hallen bieten den ausgestellten Bildern einen grosszügigen und lichten Rahmen mit vielen Unterteilungsmöglichkeiten in der Ebene und in der Vertikalen. Auch hier eine Fülle von Kunstschätzen, die nach Wiederkehr ruft.

 

 

Die Seerosen von Monet war ein Besuchsziel auf der Liste, die Ursula für ihren Parisaufenthalt mitgebracht hatte. Uns anfänglich kein Begriff, verstanden wir nach dem Zutritt in die Orangerie, dem Museum in der Westecke des Jardin des Tuileries, sofort den anziehenden Reiz dieser raumfüllenden Impressionen eines Seerosenteiches ohne Ufer und Horizont. (Bild unten links und rechts anklicken, um eine Rundumsicht von Saal 1 bzw. Saal 2 zu sehen.) Auch in diesen herrlichen Hallen sollten wir nicht zum letzten Mal gewesen sein.

 

 

 

 

Paris, die Mode-Metropole, verfügt natürlich über riesige Modetempel. Bei "Lafayette" oder "Printemps" sind alle bekannten Weltmarken mit eigenem Shop-in-shop zu finden, bei denen zum Teil sogar der Zutritt dosiert wird, um im Laden die Sicht auf alle Verkaufsexponate sicherzustellen und so einer optimalen Kaufstimmung zu entsprechen. Im Dachgeschoss von "Le Printemps" befindet sich ein Restaurant mit bester Aussicht. Paris lag uns zu Füssen, und mittendrin, in der Ferne, sein Wahrzeichen: Der Eiffelturm. Er sollte sich noch ein paar Wochen gedulden müssen, bis die stundenlanges Warten verheissenden Touristenknäuel sich auf ein verträgliches Mass verkürzt hatten und wir unsere persönliche Erstbesteigung des Eiffeltumrs in Angriff nehmen konnten. Wir hatten ja Zeit! Viel Zeit, um Paris zu entdecken - dachten wir anfangs Winter noch.

 

 

 

 

 

 

 

Na, wie machen sich die zwei Frauenportraits neben dem wohl berümtesten und meist besuchten Frauenbild, der "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci? "La Gioconda", wie sie auch genannt wird, war natürlich ein Muss bei unserem Besuch im Louvre. Das grösste Kunstmuseum der Welt bot bei unserem ersten Besuch einen umwerfend überwältigenden Eindruck.

Zum Glück konnten wir einem thematischen Rundgang folgen, den uns der Audio-Guide vorschlug. Angesichts der Grösse der Gebäude und Räume können sich Besucher leicht darin verirren. Um die Raumaufsicht zu entlasten, wurde jeder Audioguide mit einem Museums-Navigationsprogramm ausgerüstet, welches zielgenau jedes gewünschte Exponat ansteuert.

Aber was soll man ansteuern? Wohl am schönsten und ergiebigsten lässt sich der Louvre besuchen, wenn man sich zuvor eine Liste von Bildern oder Skulpturen aussucht, die man gern im Original sehen möchte. So wäre die Übermenge auf erbauliche Weise zu durchpflügen. Jedenfalls haben wir uns das für unsern nächsten Besuch vorgenommen. Die Web-Site des Louvre mit ihrem umfangreichen Werkkatalog kann hier zur Vorbereitung gute Dienste leisten.

 

 

Schloss Versailles hat uns bei unserem ersten Besuch so in den Bann gezogen, dass wir uns gerade einen Jahreszugangspass angeschafft haben. Der Sonnenkönig Louis XIV hat da nämlich seine Sache ganz gründlich gemacht. Absolutismus, ein Begriff aus dem seinerzeitigen Geschichtsunterricht ohne direkten Erlebnisbezug, kam hier aus seiner polit-theoretischen Definition hervor und wurde physisch greifbar. Wenn Louis XIII und Louis XIV uns vor allem als Stilformen in Möbeln begegnet waren, kam hier ein Jahrhundert mit grossen Playern in der von Europa aus betriebenen Weltpolitik zum Vorschein, der in allen Facetten des Lebens am Hof prägend und stilgebend wirkte. Auch wenn wir uns heute der Hofetikette von Louis XIV nicht unterziehen wollten: eine faszinierende Wirkung üben die sichtbaren Zeugen dieser Zeit noch heute auf uns aus.

 

 

 

 

Zurück an der Seine: im Petit Palais, der zusammen mit dem Grand Palais als Ausstellungshalle für die Weltausstellung von 1900 an der Avenue des Champs-Élysées in Paris erbaut worden war, trafen wir "einen alten Bekannten" wieder. In einer Sonderausstellung wurden Werke des Antwerpener Malers Jacob Jordaens gezeigt. Den Bildern dieses flämischen Malers waren wir bereits in der Hermitage in Amsterdam anlässlich einer Sonderausstellung über Rubens, Van Dyck & Jordaens im Winter 2011 begegnet. Die Hermitage in Amsterdam ist eine Zweigstelle des berühmten Museums Ermitage im russischen St. Petersburg, welches eine bedeutende Sammlung massgebender europäischer Künstler betreut.

 

 

 

 

Die Achse vom Louvre durch die Gärten der Tuilerien über den Place de la Concorde durch die Avenue des Champs-Élysées zum Arc de Triomphe mit ihrer Verlängerung zur Grande Arche de la Défense ist jedem Paris-Touristen bekannt. Weniger bekannt und doch von Google Earth aus bestens erkennbar ist die "Axe Majeur" in Cergy-Pontoise, welche von der Anhöhe bei Cergy Saint-Christophe in gerader Linie mit Treppenstufen zur Oïse hinab führt, den Fluss mit einer knallroten Brücke überquert und sich in einer gedachten Linie bis zum Markplatz des Dorfes Ham fortsetzt. Ob sich wohl dieses vom israelischen Architekten Dani Karavan ausgedachte Kunstwerk mit der erstgenannten Achse gemessen und mit der Namensgebung gleich das Messresultat festgeschrieben hat? Wohl kaum, denn ihre Länge ist nicht halb so gross wie die Achse vom Louvre zur Grande Arche de la Défense. Also bleibt die Frage offen: grösser als was?

 

 

 

 

 

Nebst den vielen Sehenswürdigkeiten gab es immer wieder herrliche Gespräche über die Schifffahrten, die wir in den vergangenen Monaten erlebt hatten, über zukünftigen Routen oder über Kondenswasser und andere Eigenarten von Schiffen. Im Hafen von Cergy überwintern zwei weitere Schweizer Paare, mit denen wir regelmässig spielen, plaudern und Erfahrungen austauschen. Es sind Madeleine und Josef auf dem Tjalk "Wietske" und Yolanda mit Beat auf ihrer Yacht "Old Smuggler".

 

 

 

 

 

Bei einem feinen Nachtessen liessen wir es uns gut ergehen.

 

 

Während Joseph Älpler-Makronen zubereitete, versuchten die Frauen, einen geeigneten Vorhang für die MS Wietske zu  kreieren.

 

 

Mit Jenny und Bob, unseren Freunden aus Kudelstaart, die auch in Cergy überwintern, tranken wir des öftern Kaffee oder sassen zu einem gemeinsamen Essen zu Tisch, mal auf unserem, mal auf ihrem Boot. Die Zeit mit ihnen schätzen wir ganz besonders und so ganz nebenbei trainieren sie unsere Französischkenntnisse.

 

 

Fast jeden Morgen frönen wir unserem Bewegungsdrang. Im nahe gelegenen Park joggen wir regelmässig eine knappe Stunde und machen unterwegs wohltuende Übungen, wie sie uns Elsbeth als kundige Therapeutin vor unserem Aufbruch aufs Boot gezeigt und angelernt hatte.

 

 

 

 

Unterwegs trafen wir auf Hasen (oder waren es Kaninchen?), Eichhörnchen, Grünspechte, Kohlmeisen, Elstern, Buchfinken, Stockenten, Möven und jede Menge Kormorane. Dank der Anleitung von Beat können wir unter ihnen sogar ein paar Krähenscharben feststellen.

 

 

Bernadette ging mit Jenny und Madeleine shoppen im Einkaufszentrum "3 Fontaines" in Cergy-Préfecture oder im Centre de commerce in Osny. Bei einem einladenden Optiker-Geschäft traf Bernadette auf einen Geschäftsführer, der sie dank schweizerischer Berufserfahrung auf Schweizerdeutsch beraten konnte, wonach sie wohlgelaunt mit einer neuen chiquen Brille zum Boot zurück kehrte.

 

 

 

 

Im Gespräch mit unserem Bootsnachbarn Serge auf seinem MS Cartouche beginnt Bernadette, so langsam Französisch zu verstehen. Für sie ist es eine ganz schnelle Sprache und sie hat grosse Mühe zu folgen. Serge bemüht sich, sehr langsam zu sprechen und sorgt mit Rückfragen immer wieder dafür, dass Bernadette den Gesprächsfaden nicht verliert. Dank seinen interessanten Erzählungen und seiner Geduld wird Französisch auch für Bernadette langsam zum positiven Spracherlebnis.

 

 

 

 

 

 

 

 

Serge fährt mit der MS "Cartouche", die am gleichen Steg hinter uns liegt, gelegentlich mit Kundschaft auf der Oise. Er hat mit dem marokkanischen Restaurant hier im Hafen ein Angebotspaket geschnürt, mit dem die Gäste zuerst marokanisch essen gehen und danach auf seinem Schiff eine stündige Kaffeefahrt machen können.

 

 

Ums Kulinarische dreht sich hier viel. Auch wir laden immer wieder zu einem Essen an Bord von Dagens 2 ein, wie hier zum einem Begrüssungsnachtessen für Mitbewohner im Hafen..

 

 

 

 

Unsere Begegnung mit Paris wäre nicht vollständig ohne die Erwähnung der musikalischen und theatralischen Highlights:
- In "How to become Parisian in one hour?" erfuhren wir von Olivier Giraud im Théâtre des Nouveautés so gar manche typisch pariserische Eigenart kennen.
- Auf der ganz kleinen Bühne des Théâtre Espace Marais begegneten wir dem ganz grossen Dichter Molière in der Aufführung seines Stückes "L'Avare".
- In der bauältesten Kirche von Paris, der Église Saint Julien le pauvre, durften wir dank eines Strassenplakates und einer spontanen Entscheidung ein mitreissendes Gospelkonzert geniessen.
- Die gesamte Klangfülle des gotischen Innenraumes der Kathedrale Notre Dame de Paris bot sich uns beim Abschlusskonzert "SONET VOX ECCLESIE" des Jubiläumsjahres zur 850 Jahr Feier an. Der Damenchor "Maîtrise Notre-Dame de Paris" und das Vocal-Ensemble "Discantus" brachten, mal im Wechsel, mal zusammen, Kirchenmusik aus dem Mittelalter bis zur Renaissance zum Erklingen.

 

 

 

 

 

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 aktualisiert: 5.3.2014 / BG

 

 

 

 

 

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