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Mit der "Zauberflöte" ins neue Jahr |
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Kaum waren wir im November in Antwerpen angekommen, machte man uns bereits auf das sehenswerte und in der Silvesternacht nicht zu verpassende Feuerwerk am Scheldeufer aufmerksam. Es war klar, dass wir uns dies nicht entgehen lassen wollten. Im Unterschied zu Holland wird in Belgien Feuerwerk nicht an Private verkauft. Demzufolge konzentrieren sich aller Augen auf das von der öffentlichen Hand konzertierte halbstündige Vollprogramm. Doch bis Mitternacht waren an Sylvester noch ein paar Stunden zur freien Gestaltung offen. Ein Strassenplakat hatte uns auf die Sylvester-Aufführung der "Zauberflöte" in der Oper von Antwerpen aufmerksam gemacht. Wir reservierten uns hierfür die Eintrittskarten. Es war wieder einmal eine Gelegenheit, die schönen Abendkleider hervorzuholen und sich schick zurecht zu machen. Dies und eine leckere Vorspeise aus Bernadettes Küche hoben die Vorfreude an. Die in deutscher Sprache aufgeführte Oper wurde von einer internationalen Künstlerschar aus Kroatien, Russland, Deutschland, Japan, Amerika, Oesterreich, Belgien, Serbien, Armenien und England aufgeführt. Ihr jeweiliger Akzent war unüberhörbar. Für deutschsprachige Zuschauer waren sie jedoch problemlos verständlich. Ob das allerdings auch für flämischsprachige Opernbesucher galt? Hilfreich war darum die im Programmheft wiedergegebene, vollständige Textfassung, synoptisch in deutsch und in niederländisch. Musikalisch gestaltet wurde die Oper vom Flämischen Synfonierorchester und vom Flämischen Opernchor.
Bereits die ersten Auftritte liessen erkennen, dass es sich nicht um eine klassische Inszenierung der Zauberflöte, sondern um eine moderne Interpretation derselben handelte. Das Königinnenreich der Nacht wurde mit tiefgründigem Wasser unter der sichtbaren Oberfläche verbunden und Sarastros Sonnenkreis mit einer ländlich-landbaulichen Idylle fernab vom machtoplitischen Weltgeschehen. Dazwischen bewegen sich "Grenzgänger" zwischen Wasser und Land wie die nymphenartigen drei Damen oder der froschartig sich bewegende Papageno.
Die Aufführung war theatralisch und musikalisch ein voller Genuss. Noch nie zuvor hatten wir diese anspruchsvolle Oper so stressfrei geniessen können. Wir liessen unsere Ohren in in die phantastische Klangwelt entführen und spazierten zugleich mit den Augen im unkonventionellen Bühnenbild umher, worüber der "Warm-up"-Film einen kleinen Einblick verschafft. Die der Königin der Nacht zugedachte "Wasserwelt" kam auf der Bühne deutlich zur Geltung: sei es als plätscherndes Ufer, über welches Tamino sich im ersten Auftritt vor der Schlange ans Ufer rettete oder über welches die drei Damen ins Bild traten und sich wieder in die Wasserwelt zurückzogen. Papageno kletterte im 2. Auftritt behende über eine Seilbrücke ins Bild. Diese überspannte einerseits die darunter liegende Wasserwelt der Königin der Nacht. Anderseits wies sie auf die luftigen Höhen hin, in welchen Papageno seine Vögel fing. Diese tauschte er am Ufer bei den Jungfrauen der sternenflammenden Königin gegen Speis und Trank ein.
Als äusserste Grenze der Wasserwelt in der ländlich-häuslichen Idylle Sarastros wurde das Badezimmer gezeigt, wo die Königin der Nacht hinter dem Duschvorhang hervortrat und ihre grosse Arie der Rache sang. Vier Auftritte danach stieg ebenda Sarastro in die Badewanne und sang: "In diesen heil'gen Hallen, kennt man die Rache nicht ....". Insgesamt hat diese neuartige Inszenierung die Darbietung erfrischt und viel bewegt, auf der Bühne wie im Kopf des Zuschauers.
Nichts war mehr zu spüren von der theatralischen Steifheit und dem Unverstand, mit welchen wir in unserer Jugendzeit dieser Oper erstmals begegnet sind. Damals gehörten Opern ja nicht gerade zum selbsterwählten Freizeitprogramm. Darum war die Erinnerung, als wir während der Schulzeit der Aufführung der Zauberflöte am Stadttheater Bern vom dritten Rang herab folgen mussten, noch mit stark negativen Eindrücken besetzt. Damals versperrte der jugendliche Leichtsinn noch den Zugang zum Inhalt und zur Musik dieses Werkes von Weltgeltung. Unsere Lehrer waren nichts desto Trotz der Überzeugung, die Kenntnis der Zauberflöte gehöre zu einer humanistischen Bildung, und verpassten uns diese Oper als Zwangskonsum. Falsche Zeit, falscher Ort - Ziel verpasst. Aber eben nicht für immer. Vielleicht - wer weiss - hätten wir ja ohne dieses erste Negativ-Erlebnis rund 45 Jahre später das Plakat mit der Ankündigung der Zauberflöte in der Oper von Antwerpen gar nicht beachtet und hätten diesen Sylvester 2012 ganz anders gefeiert.
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Nach dem Schlussapplaus brachte uns der Kampf um die Mäntel an der Garderobe in die Realität der letzten Stunden in diesem Jahr zurück. Draussen bliesen heftige Winde den Regen waagrecht unter die Schirme, die dem Druck nicht lange gewachsen waren und bald schon die öffentlichen Abfalleimer füllten. Ein Grüppchen alleinstehender, junger Männer vergnügte sich damit, die aus dem Opernhaus autretenden Zuschauer mit überlaut krachenden Explosivkörpern zu erschrecken, bis ihnen die Polizei nachstellte. Pünktlich um Mitternacht begann am linken Schelde-Ufer das grosse Feuerwerk und begrüsste - trotz Wind und Regen - in wunderschönen Bildern das neue Jahr. |
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