1. November 2010 Wir gingen joggen; es war warm. Nach dem Frühstück fuhren wir per Rad nochmals zum Garten-Center "Het Oosten" am äussersten Ende von Aalsmeer. Wir brauchten für die Tauchpumpe einen Schlauch mit grösserem Durchmesser als diejenigen, die wir fürs Trinkwassertanken hatten. Dazu passend gehörten natürlich auch die entsprechenden Schlauchkupplungen in den Einkaufskorb. Bereits war eine Verkaufshalle mehr mit Weihnachtsdekorationen gefüllt. Es gab jede Menge fixfertig dekorierte Weihnachtsbäume aus Kunststoff, für jeden Geschmack und in jeder Farbnuance. Nur richtige, lebend-gewachsene Tannen gab es keine. Selbst in der Pflanzenabteilung waren ausser Eiben keine Nadelbäume zu finden. Die einzigen Fichten und Tannen, die wir erblickten, standen vereinzelt als Zier in privaten Gärten und wurden demzufolge nicht feilgeboten. Darum konzentrierten wir unsere weihnächtliche Gestaltungskraft an diesem Nachmittag voll darauf, mit dem neu erstandenen Schlauch das Achterdeck zu putzen. Fons vom Nachbarschiff stand wieder mit Anleitung und guten Ratschlägen zur Seite. Am Ende war das Deck sauber und wir nass, aber hungrig auf ein feines Nachtessen. 2. November 2010 Morgens
um 9 Uhr kam Jur den Hamer aufs Boot, um mit uns das weitere
Vorgehen für die Schiffszertifizierung gemäss den
Regeln des IMCI (International Marine Certification Institute
in Brüssel) zu besprechen. Er war uns vom Hafenbesitzer
Jost Kempers als Experte empfohlen worden. Die Zertifizierung
sollte uns ermöglichen, ungehindert von behördlichen
Vorbehalten in Bezug auf die Bauweise und die Sicherheit des
Schiffes durch Europa zu reisen. Erwünschter Nebeneffekt
dieser Zertifizierung ist eine fachkundige Beschreibung des
Bootes und seiner Innereien. Denn bisher besassen wir nur die
seinerzeitige Verkaufsbeschreibung von Schiffsmakler Jitze Doeve
und die Betriebshandbücher zu den eingebauten Motoren und
der Heizung. Mit unserem Auftrag, den Zertifizierungsprozess
einzuleiten, verabschiedeten wir Jur den Hamer. Erst Wochen
später sollte sich herausstellen, dass die IMCI-Zertifizierung
wohl eine gute und verlässliche Dokumentation für
einen allfälligen Verkauf des Schiffes hervorbringen wird,
nicht aber das von uns gewünschte Attest eines sicher gebauten
und betriebsfähigen Binnenfahrzeuges. 3. November 2010 Um 10
Uhr holten uns unsere Schiffsnachbarn Marian und Fons ab, um mit uns in ihrem
Auto nach Ter Aar ins Garten-Centrum "intra Tuin"
zu fahren. Dort wurden in noch mehr Hallen auf noch gröseren Flächen
Weihnachtsdekorationen feilgeboten. Es war ein Lustwandeln durch
alles, was man zur Gestaltung der Sankt Nikolaustage, der Adventszeit
und des Weihnachtsfestes im Innen- wie im Aussenbereich je erfunden
hatte. Selbst der Päckli-Schlitten mit dem Rentier-Gespann
war zu kaufen. Wir beschränkten uns auf Dekorationselemente,
die auf und in unserem Boot Platz finden konnten. Daraus entstand
ein aus künstlichem Tannenreisig geflochtener Zopf mit
dezenter Lichterkette über unserer Bootseingangstüre.
Letztere war mit Sternen aus Birkenrinde verziert. Längs
der Fenster erleuchteten zwei mit rotem Sternendraht umwickelte
Lichterschlangen die Wohnküche. Die Werftmitarbeiter im
Kempers Jachthafen staunten und vermerkten, dass wir mit der Weihnachtsdekoration
schon früh dran seien. Aber eben: wenn Bernadette für
die Weihnachtsdekoration auf dem Schiff noch etwas Kreatives
machen will, muss sie zuvor wissen, wo und was noch zu ergänzen ist. 4. November 2010 Joggen,
Waschen
und Putzen waren angesagt. Heinz reparierte den undichten Rand der Badewanne mit Silkon-Dichtmasse. Um
den unangenehm riechenden Duft des Silikon-Weichmachers möglicht
rasch entweichen zu lassen, lüfteten wir ganztags das Schiff
kreuz und quer. 5. November 2010 Ein
Regentag. Wir besprachen mit dem Jachthafen-Geschäftsführer
Jost Kempers die Offerte zum Einbau eines Schmutzwassertanks
in unser Schiff. Es gibt Fahrgebiete, wo dies vorgeschrieben
ist und man ohne Schmutzwassertank nicht durchgelassen wird.
Neuerdings ist ein Schmutzwassertank gesamteuropäisch auch
für alle Neubauschiffe vorgeschrieben. Um nicht plötzlich
wegen fehlender Lösung für das Abwasser aufgehalten
oder zurückgeschickt zu werden, haben wir beschlossen,
durch die dem Hafen zugehörige Werkstatt einen Schmutzwassertank
einbauen zu lassen. 6. November 2010 Werk- und Basteltag. Beim Handwerksmarkt "Gamma" besorgten wir weitere Bretter und Farbe für den Regenschutz vor unserem Schlafzimmerfenster. Zwischen Regengüssen schien ab und zu die Sonne durch die Wolkendecke und es war spürbar kühler geworden. Beschwingt vom Anfangserfolg strickte Bernadette nochmals hünengrosse Fusskleider, verfilzte sie in einem Waschgang und stellte so - wiederum erfolgreich - ein Paar Herrenfinken her. Nun können unsere Gäste auf dem Schiff diese wohlig warmen Hausschuhe tragen. 7. November 2010 (Sonntag) Wir
fuhren nach Amsterdam und besuchten dort das "Hausbootmuseum", welches
eine Fülle von Informationen über das permanente Wohnen auf dem Schiff oder in
einem Häuschen auf dem Wasser zusammengetragen hat. Das Museum ist - wie könnte
es anders sein - auf einem ehemaligen Lastschiff, das zum Hausboot umgebaut
worden ist, untergebracht. Es liegt an der Prinsengracht 296 K. Viel Neues konnten wir allerdings nicht mehr
erfahren, haben wir doch mit unserem Hausboot-Kauf schon etliche Entscheidprozesse durchgemacht
und dabei viele Informationen verarbeitet. Auch
wollten wir ja nicht in Amsterdam selber an einer der Grachten unsern Wohnsitz
nehmen, sondern
immer wieder weiterziehen. Das einzige, von einem englischen Autor geschriebene
Büchlein über seine Hausbooterfahrungen, das uns interessierte und zum
Kauf gereizt hätte, war nur noch als Ansichtsexemplar vorhanden. Naja. Wir werden wieder einmal nachfragen, ob
sie eine Nachlieferung erhalten haben. 8. November 2010 Nach einem ausgiebigen und gemütlichen Morgenessen begann Bernadette, eine der Pflanze "Weihnachtstern" nachempfundene Blüte zu filzen. Draussen war es sichtbar kalt geworden. Am Nachmittag fuhren wir mit den Velos wiederum zum Handwerksmarkt "Gamma" und kauften eine quadratmetergrosse Acrylglasscheibe für die Regenabdichtung des Schlafzimmerfensters. Heinz transportierte dieses Teil, mit einem Seil umschnürt, in seiner rechten Hand auf dem Velo. Es wirkte wie ein Segel und die Velospur glich der eines Betrunkenen. Zum Glück gibts in Holland überall Velofahrwege. Nur die Überquerung einer grossen Autostrasse mit Lichtsignal, anfahrend bei Wind und erst noch aufwärts, bot Probleme und gelang erst im zweiten Anlauf. Doch schliesslich gelangten wir heil zum Boot zurück. Was damals noch nicht so klar war, wurde mit der Zeit offensichtlich: Die tiefe Ausentemperatur lud nicht mehr zum Werken auf dem Achterdeck ein und mit den häufigen Regenschauern war ein Arbeiten im Motorenraum auch keine echte Alternative. Also blieb das Regendach über die Winterzeit in der Werkstatt und wartet geduldig auf den Frühling. 9. November 2010 Joggen
bei etwa 3 Grad. Bei starkem Ostwind fühlt sich die Temperatur
noch tiefer an. In der Schweiz würden wir diesem Wind vermutlich
Bise nennen. Nach
dem Morgenessen filzte Bernadette am Weihnachtsstern weiter und Heinz
kontrollierte das Heizöl. Der Tank war noch zu ¾ voll. Wir hatten
am 14. September in Gouda auch nicht ganz aufgefüllt. 10. November 2010 Bernadette wollte gerne den Weihnachtsstern fertig filzen, aber das sollte nicht so einfach gelingen. Das Wetter war auch so kribbelig und knisternd. Im Hafen zeigte männiglich Respekt vor dem für morgen angekündigten Sturm. Alle kleinen Boote, die sowieso nicht über den Winter im Hafen liegen blieben, wurden ausgewassert. 11. November 2010 Wir erwachten so kurz vor acht und wollten mal die Heizung von 16 Grad Nachtabsenkung auf Wohntemperatur hochfahren. Da strömte uns beim Öffnen der Schlafzimmertüre ein Wärmewelle entgegen. Wo brennt's? Es war 28,5 Grad im Wohnzimmer und die Heizung lief auch Hochtouren. Das Steuergerät zeigte nichts mehr an. Die Batterie war leer. Offensichtlich fehlte der Heizung bei leerer Batterie das Rückmeldesignal, dass die gewünschte Raumtemperatur erreicht sei. Darum hatte sie munter weiter geheizt. Zum Glück normaliserte sich nach dem Batteriewechsel alles wieder. Bei klarem Himmel, aufgehender Sonne, drei Grad Aussentemperatur und steifer Brise aus Südost joggten wir um den Sportpatz von Calslagen herum und machten unterwegs die uns wohltuenden biokinematischen Übungen. Ein Zaungatter mit verschieden hohen Querstangen diente uns dabei als Haltepunkt für so manche Stellung, in der langgezogene Muskulatur arbeiten muss. Doch schon beim anschliessenden Morgenessen war der Himmel wieder durchgängig bedeckt und kurz darauf begann es bei weiterhin böigen Winden zu regnen. Ideale Zeit für das Umstellen der über den Winter im Hafen verbleibenden Schiffe. Unser Boot wurde nach hinten an einen sehr ruhigen Platz verschoben und die übrigen besser um den Hauptsteg gruppiert. Wir staunten, wie die Profis vom Jachthafen die Schiffe flink herummanövrierten und wieder festbanden, trotz Regen, Wind und Kälte. Unser Nachbar Fons durfte bei der Umgruppierung mithelfen. Man sah es ihm an: das gefiel ihm. Bei so wiedrigem Wetter war ganztägiger Innendienst angesagt. Der angekündigte Sturm brach mit 8 Beaufort über uns hinein und schaukelte uns - trotz geschützter Lage - spürbar hin und her. Jitze Doeve, unser Schiffsmakler, war bei Nachbar Fons verabredet, um für dessen Schiff eine Verkehrswertschätzung vorzunehmen. Danach schaute er für eine Tasse Kaffee bei uns herein. Er war erfreut, dass uns das Leben auf dem Schiff und im Hafen von Kudelstaart gut gefiel, ermahnte uns aber, im Frühjahr auf Tour zu gehen und nicht gleich in Kempers Jachthafen zum festen Einwohner zu werden. Im Gespräch zeigte sich auch, dass wir nicht in erster Linie eine CE-Zertifizierung brauchten, sondern ein CVO-Zertifikat. Letzteres bestätigt, dass das Schiff die technischen Anforderungen für Schiffe auf Binnengewässer erfüllt. Diese Prüfung entspricht in etwa der Typenprüfung für importierte Strassenfahrzeuge mit dem Unterschied, dass unser Schiff nicht aus einer Serienproduktion stammt, sondern eine Einzelanfertigung ist und aus diesem Grund eher spärlich bis kaum durch Pläne dokumentiert ist. 12. November 2010 Wir waren hier in Holland mitten im Nikolaus-Trubel. Am morgigen Tag sollte der Sankt Nikolaus mit seinen schwarzen Mannen per Boot in Aalsmeer ankommen, über die Pfeffernussmühle zum Gemeindehaus spazieren und dort vom Bürgermeister empfangen werden. Daselbst sollte dann auch die grosse Kinderbescherung stattfinden. Holland ist in dieser Zeit ganz närrisch vor Aufregung und jeder Auftritt des Nikolaus wird in einer entsprechenden Website vorangekündigt, z.B. www.sinterklaasinaalsmeer.nl. Für die Holländer ist klar: der Nikolaus kommt aus Spanien. Die ihn begleitenden schwarzen Mannen sind bunt gekleidet wie spanische Landsknechte oder ähnlich farbig wie die Schweizergarde im Vatikan. Ein spezielles Erlebnis, dieses Fiebern auf den Einzug des Nikolaus hier mitverfolgen zu können. Die Sonne scheint, es wird jedoch nur noch 3 Grad warm. Der Wind hat gedreht und bläst nun von Südwesten. Er lässt die Wellen so richtig über das Ufer brechen lässt. Bernadette filzt noch den Weihnachtsstern fertig und bäckt anschliessend für die kommenden Gäste Cakes und Vollkornbrot.
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