aktualisiert: 22.1.2014 / BG

Gäste im November 2013   (Teil 2)

Ursula

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unsere Gäste im November 2013
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unsere Gäste im November 2013
(Teil 3)

 

 

Am vierten Montag im November findet in Bern ab den frühen Morgenstunden der Zibelemärit (Zwiebelmarkt) statt. In Erinnerung an das mittelalterliche Stadtrecht, innerhalb der schützenden Stadtmauern Märkte durchführen zu dürfen, gilt der Zibelemärit als lokaler Feiertag und haben die Bernischen Schüler schulfrei. Das verhilft natürlich auch den Lehrkräften zu einem unterrichtsfreien Tag, der - gut kombiniert mit Freitagen und Stellvertretung - unserer guten und langjährigen Freundin Ursula zu einem verlängerten Wochenende mit kultureller Weiterbildung verhilft. Bereits zum vierten Mal hat sie uns an unserem jeweiligen Winterstandort besucht und ist mit uns zusammen auf kulturelle Entdeckungsreisen gegangen.

 

 

Ursula kam mit einer "Wundertüte" voller interessanter Ideen auf unser Boot. Unglaublich, was sie uns alles zu entdecken vorschlug. Es hörte sich wie ein Besuchsprogramm für zwei Wochen an. Doch am Ende ihres Aufenthaltes hatten wir alles und noch viel mehr zusammen gesehen und erlebt.

 

 

 

Das sind auch für uns interessante Gäste, denn die gemeinsamen Entdeckungsausflüge richten unsere Sinne auf so viel Unbekanntes und Sehenswertes.


 

 

 

 

Von Cergy-Préfecture aus fuhren wir jeden Tag mit der RER-Linie A nach dem weitläufigen und sehr kurzweiligen Zentrumsbereich von Paris (Zone 1). Darin fahren Untergrundzüge über ein dichtes Schienennetz und bringen uns in kurzer Zeit an alle gewünschten Orte. Als fleissige U-Bahn-Benützer fühlen wir uns wie Maulwürfe, die durch unterirdischen Gänge huschen und ab und zu den Kopf aus der Erde strecken: Welch wunderbares Licht, wie schön die uns umgebende Stadt, wie brausend der sie durchfliessende Verkehr. Ein kleiner Spaziergang an der Oberfläche, ein Besuch in Museen, Kirchen oder Einkaufsgeschäften, und dann wieder abtauchen in den Untergrund.

 

 

Zwei typische Merkmale für Stadtraumgestaltung in Paris begegnen uns immer wieder: die schmiedeisernen Eingangsportale zur U-Bahn (Métro) und die sogenannten Morris- Säulen, das französische Pendant zu den deutschen Litfaßsäulen.

 

 

 

 

Gleich nach Ursulas Ankunft am Gare de Lyon wanderten wir mitsamt Koffer kreuz und quer durch Paris, vom Gare du Lyon aus zum Bassin de l'Arsenal, über die Lädelistrasse der Île Saint-Martin zum Centre Pompidou und zum Neubauprojekt Les Halles.

 

 

 

 

In einem der grössten Warenhäuser von Paris, den weihnächtlich dekorierten Galeries Lafayette, staunten wir über die vielen darin enthaltenen Markengeschäfte (shop in shop), vor denen Kunden Schlange standen, bis sie eingelassen wurden und zu ihren geliebten Artikeln kommen konnten.

 

 

 

 

Auf der Dachterasse im daneben liegenden Shoppinghaus "Printemps" konnten wir eine unwahrscheinlich schöne Aussicht über das Zentrum von Paris geniessen.

 

 

 

 


 

 

Der Montmartre ist bis heute ein malerisches und verspieltes Arrondissement der Stadt, auf einem 130 m hohen Kalkhügel gelegen. Zuoberst erhebt sich mäjestätisch die Kirche Sacré-Coeur, erbaut ab 1875 und eingeweiht 1919.

Der Legende nach soll hier 250 nach Christus, als in Paris noch der römischen und gallischen Götter gehuldigt wurde, der heilige Dionysius, der erste Bischof von Paris, zusammen mit seinen Gefährten, dem Priester Rusticus und dem Diakon Eleutherius, enthauptet worden sein. Der Ort dieses Märtyriums wurde später "Mont-des-Martyrs" genannt, was sich mit der Zeit zu "Montmartre" verkürzte. Man sagt, Dionysius sei nach der Enthauptung aufgestanden, habe seinen Kopf unter den Arm geklemmt und sei - von zwei Engeln gestützt - etwa 6 km in nördlicher Richtung marschiert bis zu einer ihm zugetanen Römerin namens Catulla, die ihn in Würde begrub. An dieser Stelle wurde später die Basilika Saint-Denis gebaut, wo ab dem 7. Jh. fast alle Familienmitglieder des französischen Königshauses begraben liegen.

Die Kirche Sacré-Coeur de Montmartre ist eine Votiv-Kirche. Es wird hier Tag für Tag über 24 Stunden gebetet. Das geht auf ein nationales Gelübde zurück, wofür die Nationalversammlung 1873 per Gesetz die Gemeinnützigkeit des Baus einer Kirche am Montmartre-Hügel verkündete.

Aufgrund der strategischen Lage, von der man ganz Paris - jahrhundertelang noch ohne Eiffelturm - überblicken konnte, spielte der Montmartre seit je her eine wichtige Rolle in der Geschichte der Stadt Paris. Der Montmartre wurde auch zum Anziehungspunkt für alle freien Künstler. Nicht nur Maler, auch Literaten und Bildhauer befruchteten hier ihr Schaffen durch gegenseitigen Gedankenaustausch.

 

 

Der "Place du Tertre" hinter der Kirche Sacré-Coeur, der Zentrumsplatz des ehemaligen Dörfchens Montmartre mit dem Bürgermeisterhaus, ist heute noch mit vielen Bäumen erhalten. Dies gibt dem Platz viel Wärme und Farbe. Auch verleiht er dem Montmartre einen magischen Anziehungspunkt für Künstler und Touristen. Letztere werden bereits auf dem Weg von der Kirche Sacré-Coeur herkommend durch zahlreiche Zeichner abgefangen, die ihnen für einige Zehneuro-Noten auf die Schnelle ein Portrait oder eine Karrikatur desselben anbieten. Dies selbst bei Regen und kaltem Winterwetter. Lustig, vom nahen Café aus zuzuschauen.

 

 

 

 


 

 

 

 

Im Zentrum von Paris kommt man nicht am Louvre vorbei, dem "Tempel der antiken und klassischen Kunst", wo auch die berühmte Mona Lisa von Leonardo da Vinci zu sehen ist. Allerdings ist ihr Ruhm tausendmal grösser als das Bild selber. Man muss sich einen besucherschwachen Tag aussuchen, um "La Gioconda" wirklich zu sehen.

 

 

 

 

Durch die an den Louvre angrenzenden Gärten der Tuilerien gelangt man zum Place de la Concorde, der früher Place de la Révolution hiess und auf dem die Guillotine stand, mit der dem Ancien Régime 1793 durch die Enthauptung von König Louis XVI der Garaus gemacht wurde. Interessant ist, dass im Zuge der französischen Revolution so viele "Verräter" bestraft werden mussten, dass die Assemblée législative (gesetzgebende Versammlung, "Legislative") gut ein Jahr zuvor, im Dezember 1791, die Erfindung des Doktors Guillotin zur "menschlicheren" Durchführung der Todesstrafe, die Guillotine, zur offiziellen Strafmassnahme erklärte. Zuvor wurde gehängt, mit der Axt enthauptet oder aufs Rad geflochten. (Am 10. September 1977 wurde in Marseille das letzte Todesurteil mit der Guillotine vollstreckt. Drei Jahre später wurde die Todesstrafe aus den Gesetzesbüchern Frankreichs gestrichen.)

 

 

 

 

 


 

 

 

 

Gegenüber dem Jardin des Tuileries, am andern Seine-Ufer, liegt das Musée d' Orsay. Es belegt den umgebauten, ehemaligen Bahnhof d'Orsay, der zur Weltausstellung von 1900 erstellt wurde und bis zum Jahr 1939 in Betrieb war. Im Jahre 1978 gab George Pompidou, der damalige Präsident Frankreichs, den Auftrag, diesen leer stehenden Bahnhof in ein Museum umzuwandeln. Heute befinden sich darin Kunstwerke eines halben Jahrhunderts, von Napoleon III bis zu den Anfängen des Kubismus (u.a. Vincent van Gogh, Delacroix, Monet, Renoir, Guillaumin, Toulouse-Lautrec, Cézanne).

 

 

Nach der Besichtigung dieser reichhaltigen Bildersammlung fühlten wir uns wie Fürsten und Prinzessinnen, als wir im ehemaligen Wartsaal erster Klasse unter üppigen Dekorationen, vergoldeten Stukkaturen, Kristallglasleuchtern und Deckengemälden einen Zvieri-Lunch zu uns nahmen.

 

 


 

 

Im Musée de l'Orangerie am Ende des Jardin des Tuileries sind zwei grosse, ovale Räume einer aussergewöhnlichen Bilderreihe von Claude Monet gewidmet: "L' aventure des Nymphéas". Die zwei Räume scheinen einen endlosen Panorama-Blick auf einen umliegenden Teich mit Seerosen zu bieten, ohne dass dessen Ufer oder dessen Horizont sichtbar wären. Ein einzigartiges Sehgefühl.

 

 

L'aventure des Nymphéas de Claude Monet au Musée de l'Orangerie à Paris

L'aventure des Nymphéas au Musée de l'Orangerie à Paris

 

 

Le soleil couchant (1914 - 1918) huile sur toile, 197x600 cm

Le matin (1914 - 1918) huile sur toile, 197x1275 cm

L'aventure des Nymphéas de Claude Monet au Musée de l'Orangerie à Paris

 

 


 

 

Entlang der Seine schlendernd und dem Schiffsverkehr beobachtend, fesselten zwei hervorstechende Gebäude unser Augenmerk. Es waren der Grand Palais und der Petit Palais. Im Näherkommen sahen wir Plakate, die auf eine Sonderausstellung über den flämischen Maler Jacques Jordaens hinwiesen. Diesen Maler haben wir vor zwei Jahren im Museum Hermitage in Amsterdam zusammen mit van Dyk und Rubens kennengelernt. Danach ist er uns mit Altarbildern in der Liebfrauenkathedrale in Antwerpen wieder begegnet. Grund und Interesse genug, unsere Schritte in diese Sonderausstellung zu lenken und Herrn Jordaens einen dritten Besuch abzustatten.

 

 

 

 

Jacques Jordaens lebte von 1593 bis 1678, vorwiegend in Antwerpen. Er war zusammen mit seinen Zeitgenossen Peter Paul Rubens und Anthonie van Dyck ein typischer Vertreter des flämischen Barocks.

 

 

Jacques Jordaens (1593-1678) Portrait de la famille Jordaens avec une servante / Museo nacional del Prado, Madrid

Jacques Jordaens, Les quatre apôtres, vers 1625-1630 / RMN-Grand Palais (musée du Louvre)/René-Gabriel Ojéda

 

 

Jordaens war nicht nur ein erfolgreicher Maler, sondern auch bekannt für seine Gestaltung von Wandteppichen. Nach dem Tod von Rubens im Jahr 1640 etablierte sich Jordaens als wichtigster Künstler Antwerpens und war für viele Großaufträge, auch seitens bedeutender Höfe, sehr gefragt.

Jacques Jordaens (1593-1678) Le Repos de Diane, vers 1640 / © Stéphane Piera / Petit Palais / Roger-Viollet

Jacques Jordaens (1593-1678), Servante avec une corbeille de fruits et un couple d'amoureux, vers 1628-1630, Huile sur toile

 

 


Genug der Kunst. In der Champs Elysée begann der Weihnachtsmarkt. Er erstreckte sich mit unzähligen erleuchteten Verkaufsständen vom Place de la Concorde in Richtung Arc de Triomphe. Schlendernd liessen wir uns vom vielseitigen Angebot berauschen, steckten unsere Nase in gar so manchen Stand, pour le plaisir des yeux, und liessen uns in der Besuchermenge treiben.

 

 

 

 


So ab und zu kamen wir doch wieder in Cergy vorbei, schliefen in erholsamer Ruhe auf Dagens 2, assen gemütlich das Frühstück, bevor wir uns ins nächste Besuchsabenteuer stürzten. Eines Abends blieb sogar noch Zeit, um den lustigen Film "Saint Jacques ... la Mecque" zu sehen, den uns Hans Paul ein paar Tage zuvor empfohlen hatte.

 

 

 

 

Zwischendurch die Wandermuskeln etwas trainieren. Ein Spaziergang durch den Park "Etang de Cergy" brachte uns zur Axe Majeur, die mit über 200 Stufen bis zur Anhöhe von Cergy Saint-Honoré hinauf führt.

 

 

 

 


Am Samstag Abend besuchten wir spontan ein Gospelkonzert in der ältesten Kirche von Paris, der Eglise Julien-le-Pauvre. Diese akustische Darbietung war so mitreissend, dass wir uns wie ein Teil der Mitwirkenden fühlten, dynamisch und voller guter Athmosphäre.

 

 

 

 


Wer in Paris nach Theater Ausschau hält, kommt nicht an Molière vorbei. In der Zeit von Ursulas Besuch spielte das Kleintheater "Espace Marais" den "Geizhals / L'Avare". Dieses Kleintheater war wirklich klein. Wir sassen in der vordersten von drei Stuhlreihen, im Direktkontakt mit den Akteuren. Die unmittelbare Publikumsnähe nutzen die Schauspieler auch, indem sie Ursula in der stummen Nebenrolle als "Dame Claude" direkt in ihr Theater einbezogen, was zu einer erheiternden Improvisation führte..

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte: Vater und Sohn buhlen beide, ohne es voneinander zu wissen, um die gleiche Frau. Der geizige Vater, stets um sein Geld besorgt, versteckt seinen Schatz im Garten, wo er vom drolligen, aber schlauen Diener gefunden wird. Am Schluss heiratet der Sohn seine Geliebte - und der Geizhals bleibt mit seinem Geld alleine.

 

 

 

 


 

 

 

 

In der Kathedrale "Notre-Dame de Paris" besuchten wir ein Abendkonzert mit gregorianischem Gesang, gesungen von den Schülern der Musikschule "Notre Dame". Dieses Konzert bildete den Abschluss der Feierlichkeiten zum 850-Jahr-Jubiläum der Kathedrale. Als aktive Chorsängerin wusste Ursula uns viele Feinheiten der aufgeführten Werke noch ein bisschen näher zu bringen.Es war eine tolle, gesungene Leistung. Schade, dass es in der "Notre-Dame de Paris" so kalt war und den sitzenden Zuhörern von unten die Kälte innerlich aufstieg. Wie erholsam, am Schluss des Konzerts den Aufführenden einen stehenden Applaus zu spenden.

 

 

 

 


 

 

 

 

 

Nach so reich angefüllten Tagen mussten wir uns von Ursula wieder verabschieden. Noch ein kurzer Spaziergang über den Chemin plantée hinter dem Gare de Lyon, und dann entführte der TGV Ursula wieder heimwärts. Wir haben es sehr genossen mit ihr.

 

 

 

 

Der originelle Adventskalender von Ursula begleitete uns durch die Vorweihnachtszeit und bereitete uns jeden Tag mit seiner eingeschachtelten Überraschung viel Freude. Hab ganz lieben Dank dafür.

 

 

 

 

 

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